Unsere Inseltour geht weiter. Am Montag sind wir unterwegs auf Andøya und Langøya, zwei Inseln der Inselgruppe Vesterålen. Die ist wesentlich weniger bekannt, als die südlicher gelegenen Lofoten, weniger schroff und majestätisch, aber mindestens genauso sehenswert. Zauberhafte Landschaften, idyllische Stimmungen und eine ruhige und gelassene Atmosphäre. Genau das, was wir suchen.
Leuchttürme und Latrinen
In Andenes besuchen wir das Andøy Museum mit seiner Ausstellung zu Land, Leuten und der Geschichte des Walfangs. In früheren Zeiten war der Ort Ausgangspunkt für die Jagd auf Pottwale, heutzutage werden die Walgründe glücklicherweise nur noch zu Beobachtungszwecken angefahren. Eine kleine Ecke im Museum widmet sich der nordnorwegischen Tradition der Troubadoure oder Minnesänger, die es früher in jedem Dorf gab und die ein integraler Bestandteil der Gesellschaft waren. In Andenes gibt es auch heute noch so einen singenden Geschichtenerzähler: Geir Laupstad. Hört mal rein.
Selbstverständlich besteigen wir auch den Leuchtturm von Andenes. Steil sind die Treppen, schweißtreibend der Aufstieg. Wir werden mit grandiosen Ausblicken auf die Stadt, die Berge und das Meer belohnt. Alleine dafür hat sich die schaukelige Fährüberfahrt am Tag zuvor bereits gelohnt. Bei heftigem Seegang geht’s 90 Minuten lang mehrere Meter die Wellen rauf und wieder runter. Besser als jede Schiffschaukel. 🙂 Nach dieser Tour können wir definitiv konstatieren, dass wir alle richtig seefest sind. 🙂
Wir fahren die Landschaftsroute Andøya, eine herrlich verschlafene Straße entlang der Westküste der Insel. Auf halber Strecke kommen wir zum Rastplatz Bukkekjerka beim Leuchtturm Børhella. Der ist zum Hinaufsteigen zu klein, die Hauptattraktion ist allerdings so oder so eine ganz andere. Wir hätten ja vieles erwartet, hier mitten im Nirgendwo, jedoch keine Designtoilette mit blitzendem Chrom, Rundum-Verspiegelung und einem Aussichtsfenster, dass sich zur Aufrechterhaltung der Intimität per Knopfdruck automatisch eintrüben lässt. Und ein Schattenplätzchen für die heimischen Schafe liefert das architektonische Schmuckstück auch noch. Wahnsinn! Wobei dieses besondere Toilettending in Norwegen scheinbar gar nicht so ungewöhnlich ist, wie wir in einem anderen Blog nachlesen.
Nach diesem glitzernden Highlight geht’s für uns weiter. Bei Sortland biegen wir ab nach Langøya und fahren über eine erneut atemberaubende Straße nach Bø. Dort verbringen wir den Nachmittag und Abend im ruhigen kleinen Hafen, duschen, putzen, kochen und entspannen. Und nach dem letzten Toilettengang am Abend (ohne Bling-Bling, Glitzer und Aussicht) staunen wir einmal mehr über das Faszinosum Mitternachtssonne und die magische Stimmung zu eigentlich nachtschlafender Zeit.
Skulpturen und Schiffe
Bø ist Teil eines Netzwerks aus 34 Ortschaften, in denen das Projekt Artscape Nordland mit seiner internationalen Kunstausstellung zu besichtigen ist. Also nicht die gesamte Ausstellung, denn dafür müssten wir alle beteiligten Kommunen anfahren. Insgesamt 36 Skulpturen stehen an verschiedenen Orten in Nordland, entstanden zwischen 1992 und 2010. „Mannen fra havet“ heißt die Skulptur des Künstlers Kjell Erik Killi Olsen, die hier in Bø zu besichtigen ist. Alle anderen Kunstwerke sind in einer Fotogalerie zu sehen, und für uns in den kommenden Tagen einige weitere sogar live und in Farbe.
Von der Kunst zur Technikgeschichte: Stokmarknes ist Gründungsort der Vesterålen Dampfschifffahrtsgesellschaft, das Vorgängerunternehmen der heutigen Hurtigruten-Reederei. Kaum verwunderlich also, dass man in Stokmarknes das Hurtigruten-Museum besuchen kann. Zu sehen gibt es das 1993 ausgemusterte Hurtigruten-Schiff MS Finnmarken, eingepackt in eine moderne Halle aus Glas und Stahl. Das ist schon gewaltig, so ein riesiges Schiff in einer Halle stehen zu sehen. Der Blick von der Brücke hinunter ist nichts für Menschen mit Höhenangst. Ein cleverer Schachzug ist es allemal, denn auf diese Weise ist nicht nur der Erhalt des Museumsschiffs gesichert, im Schatten des Kolosses kommt die interessante Begleitausstellung zur Geschichte der Reederei, deren Rolle im zweiten Weltkrieg und zur technischen Entwicklung der Schiffe von damals bis heute gleich ganz anders zur Geltung, als in schnöden Museumsräumen.
Nur noch ein paar Kilometer sind es von Stokmarknes nach Melbu, dann stehen wir wieder mal an einem Fährhafen. Eine knappe Stunde später legen wir ab, verlassen Vesterålen, nehmen jede Menge schöne Erinnerungen mit und Kurs auf Fiskebøl. Vor 17 Jahren wollten wir hin, jetzt ist es endlich soweit: wir besuchen die Lofoten!
Tourist:innen und Tribünen
Das ist schon krass, wie die Lofotenwand steil vor uns aufragt. Einzigartig! Gleich auf den ersten Kilometern wird uns mehr als deutlich, wieso gerade diese Inselgruppe eine derart große Anziehungskraft auf Tourist:innen aus aller Welt ausübt. Und auch das bekommen wir unmittelbar zu spüren, denn im Vergleich zu den verschlafenen Vesterålen ist hier mächtig Betrieb. Und alles noch mal eine Stufe teurer, als im eh schon nicht gerade günstigen Norwegen. Aber so ist das nunmal, und auch nicht das erste Mal, dass wir mit den Auswirkungen des Massentourismus konfrontiert und gleichzeitig ein Teil davon sind.
Über Nacht ist es trüb und grau geworden, also entscheiden wir uns für eine Tour mit dem Wohnmobil über Austvågøya. Am südwestlichen Zipfel der größten Lofoteninsel liegt das Fischerdorf Henningsvær, dem wir wie fast alle hier einen Besuch abstatten. Und sei es nur wegen des malerisch gelegenen Fußballstadions. Naja, Stadion ist ein bisschen hoch gegriffen, wobei die umgebenden Felsen schon als Tribünen durchgehen könnten. Malerisch gelegen ist der Sportplatz in jedem Fall und gilt nicht zu Unrecht als einer der schönsten der Welt.
Das Wetter will nicht besser werden, also fahren wir weiter über die Inseln Vestvågøya und Flakstadøy. Auch bei trüber Sicht und „nur“ aus dem fahrenden Auto heraus beeindruckt uns die Landschaft, vor allem die immer wieder steil aus den Fjorden aufragenden Felsmassive. Vorbei an den typischen Holzgestellen zur Trocknung von Stockfisch, durch malerische Buchten mit türkisfarbenem Wasser und Sandstränden kommen wir aus dem Schauen und Staunen kaum heraus. Und dann finden wir auch noch einen tollen Übernachtungsplatz unterhalb der beiden Fredvang-Brücken, mit Blick rüber zum Lofotodden-Nationalpark auf Moskenesøy, wo wir morgen wandern gehen wollen. So gefällt uns das!
Kaiserwetter und Küstenwanderung
19 Jahre alt ist der Lofoten-Reiseführer, den wir mit im Gepäck haben. Doch manche Dinge sind zeitlos: „Strände von karibischer Schönheit“ sollen bei der angeblich schönsten Küstenwanderung auf den Lofoten zu sehen sein. Ganz ehrlich: das ist total untertrieben! Die Tour im Wandergebiet Vestervika ist der absolute Knaller. Traumstrände, unfassbar schöne Seen und das grandiose Massiv des Ryten vor der Nase. Sogar eine kleine Kletterei müssen wir bewältigen. Und das bei Kaiserwetter. Wir sind dann mal geflasht! Daran können selbst die letzten vier Kilometer der Rundtour nichts ändern, die auf der Straße am Torsfjord entlang führen und sich bis zum Parkplatz ordentlich ziehen.
Es ist ganz schön spät geworden, glücklicherweise aber nicht mehr weit. Über das touristisch überlaufene Reine fahren wir nach Å, Endpunkt der E10 und Dorf mit kurios kurzem Ortsnamen. Zurück nach Moskenes, von wo aus uns die Fähre nach Røst bringen wird, kleinstes Eiland der Lofoten und letzter Außenposten Norwegens auf diesem Breitengrad.
Diese wunderschönen Fotos inspirieren mich dazu, ein Gedicht zu plagiieren:
Seht ihn an, den Hummer.
Trinkt er, wird er dummer.
Hört, wie er durchs Nordmeer keift,
ob ihm wer die Scheren schleift.