KRRREISCH! Das Blut gefriert in unseren Adern. Unsere Smartphones geben schrille Alarmsignale von sich. Eine Tornadowarnung des National Weather Service. Übermittelt über den Dienst Cell Broadcast, der in Deutschland nach der verherrenden Katastrophe im Ahrtal nun endlich auch zum Einsatz kommen wird. „Take shelter now“, so die eindeutige Anweisung. Schutz suchen in einem Keller ist allerdings gerade schwierig: wir sind mitten auf der Interstate im tosenden Stadtverkehr von Richmond, Virginia. Geschockt und ziemlich verunsichert können wir erst einmal nur weiterfahren, die Bäume um uns herum genau im Blick behalten und möglichst schnell Abstand zu den bedrohlichen schwarzen Wolken gewinnen. Junes checkt die Wettermeldungen des NWS in Echtzeit und gibt uns von der Rückbank die aktuellen Entwicklungen durch. Letztlich bleibt es für uns bei einer vorsichtigen Fahrt durch den Starkregen mehrerer Gewitterzellen. Und auch die Region um Richmond scheint glücklicherweise glimpflich davonzukommen: „Through 3 p.m., although numerous tornado warnings had been issued between North Carolina and central Virginia, including around Richmond, no twister had yet been confirmed.“

Wir haben heute eine vage Vorstellung davon gekommen, mit welchen Naturgewalten es die Menschen an der Ostküste der USA regelmäßig zu tun haben. Ein beängstigendes Gefühl. Dabei waren wir lediglich mit den abgeschwächten Ausläufern des Tropensturms Nicole konfrontiert, vor denen wir doch eigentlich die Flucht ergreifen wollten: Regenmengen von mehr als 15 mm pro Stunde und eine sich anschließende Kaltfront mit Temperaturen im einstelligen Minusbereich treiben uns aus den Appalachen in Richtung Atlantik und bescheren unserer Zeit in den Blue Ridge Mountains ein jähes Ende. Doch die Wetteraussichten in den Bergen sind einfach zu garstig und unser Wohnmobil ist nicht geeignet für klirrend kalte Nächte.

Smithsonian

Wir müssen noch einen Nachtrag zu unseren Tagen in Washington D.C. liefern: Unseren zweiten Tag in der Hauptstadt verbringen wir fast vollständig in den kostenlos zugänglichen Museen des Smithsonian, dem größten Museumskomplex der Welt. Um alle Sammlungen des Smithsonian anzuschauen, müsste man sich vermutlich mindestens 14 Tage Zeit nehmen (oder eine Minute wie die Simpsons). Wir beschränken uns am Dienstag auf einen Gang durch das Naturkundemuseum sowie einen Besuch des National Air and Space Museum, in dem u.a. die Raumkapsel der ersten Mondlandemission Apollo 11 ausgestellt ist.

Tags darauf besuchen wir auf unserer Fahrt in Richtung Appalachen das Steven F. Udvar-Hazy Center, einen zweiten Standort des National Air and Space Museum in der Nähe des Flughafens Washington-Dulles-International. Auch in diesem Teil des Museum finden wir einzigartige und geschichtsträchtige Exponate: eine Concorde, das Space Shuttle Discovery sowie der Ende des zweiten Weltkriegs unter der Herrschaft der Nationalsozialisten gebaute Nurflügler Horten H IX. Und wir erleben wieder einen dieser bedrückenden Momente: Vor uns steht die Enola Gay. Das Flugzeug, von dem aus am 6. August 1945 eine Atombombe auf die japanische Stadt Hiroshima abgeworfen wurde. Die Stadt, die wir nächstes Jahr im zweiten Teil unserer Reisen besuchen werden. Wir werden erneut an die Grausamkeiten erinnert, die wir als Menschheit hervorgebracht haben und stehen schweigsam vor einer Maschine, die in einem Augenblick über 150.000 Menschen den Tod gebracht hat.

Blue Ridge Mountains

Almost heaven, West Virginia
Blue Ridge Mountains, Shanandoa River
Life is old there, older than the trees
Younger than the mountains, blowing like a breeze

Country Roads, take me home
To the place I belong
West Virginia, mounty mamma
Take me home, country roads

John Denver hat sie besungen, die Blue Ridge Mountains, den vermutlich bekanntesten Teil des Gebirgszugs der Appalachen von Front Royal und dem Shenandoah National Park im Norden bis Cherokee und dem Great Smoky Mountain National Park im Süden. Eigentlich wollten wir zehn Tage hier verbringen und über 900 Kilometer die beiden Scenic Routes Skyline Drive und Blue Ridge Parkway entlang fahren. Die aktuellen Wetteraussichten machen uns allerdings einen Strich durch die Rechnung, und so brechen wir unseren Aufenthalt nach nur zwei Tagen im Shenandoah National Park vernünftigerweise ab. Trotzdem können wir einen kleinen Einblick in diesen landschaftlich reizvollen Teil der USA gewinnen und auf der Hochebene Big Meadows am Donnerstag eine tolle Wandertour genießen. Allerdings war der Herbst dann doch schneller als wir: die bunte Blattfärbung ist bereits gen Süden durchgerauscht und die Laubbäume stehen samt und sonders kahl. Echte November-Stimmung eben. Das wir bei unserer Wanderung über die Rose River Fire Road auch nach Syria, RT hätten abbiegen können, ist dann schon wieder ganz wunderbar passend – doch wir lassen uns nicht verlocken und finden über den Rose River Loop Trail wieder gut zu unserem Ausgangspunkt zurück.

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert