Heute war der trübste Tag unserer bisherigen Reise: Bereits gestern Abend hat es begonnen zu regnen und die ganze Nacht über haben dicke Tropfen aufs Dach des Wohnmobils getrommelt. Heute dann war der Himmel den ganzen Tag wolkenverhangen und auf unserer Fahrt hatten wir es mit heftigen Windböen und erneutem Dauerregen zu tun. Ein grauer Sonntag wie im grauesten November. Was bleibt einem da viel anderes übrig, als Strecke zu machen und weiterzureisen? Genau das machen wir, wenn auch ohne große Hektik und Stress. Wir haben ja Zeit. Das bringt allerdings mit sich, dass wir auf der Interstate von ausnahmslos jedem Fahrzeug inklusive aller LKW, Wohnmobile und Pickup Trucks mit Anhängern überholt werden. Die Höchstgeschwindigkeit von 75 mph entspricht umgerechnet ungefähr 120 km/h, und dieses Tempo fahren tatsächlich alle, teilweise schneller, egal wie groß ihr Fahrzeug auch ist. Wir sind in der Regel mit maximal 100 km/h unterwegs, um wenigstens ein bisschen Benzin zu sparen. Für die US-Amerikaner:innen selbst bei diesem Wetter offensichtlich keine Option.

Doch zunächst einmal Rewind, denn seit Donnerstag haben wir wieder einiges erlebt:

Zwischenstopp am Cochiti Lake

Am Morgen nach unserer Nacht in der Picknick-Area am Angels Peak kommt ein Reisebus vorgefahren. Eine Gruppe Schüler:innen samt Lehrer:innen und anderer Begleitpersonen, die sich die Badlands wie wir von oben anschauen wollen. Keine ganz gewöhnliche Schulgruppe, zumindest nicht für unsere Augen: Es sind Amish People oder eine vergleichbare religiöse Gemeinschaft, so schließen wir zumindest der Kleidung nach. Kids in allen Altersstufen umkreisen unser Wohnmobil und wir bleiben etwas verdattert ob des plötzlichen Auftriebs lieber drin und beobachten das Ganze. Irgendwie schade, dass wir nicht den Antrieb gefunden haben, um ins Gespräch zu kommen. Manchmal merkt man erst hinterher, dass man eine Gelegenheit verpasst hat.

Unsere Vorräte sind fast aufgebraucht, deswegen fahren wir zum überfälligen Großeinkauf nach Albuquerque. Eigentlich wollten wir eine direkte Strecke nach Santa Fe über den National Forest fahren, aber Google Maps hält das für keine gute Idee. Und da wir mit Mogwai als Soundtrack in uns versunken durch die Landschaft New Mexicos gondeln, fällt uns erst kurz vor Albuquerque auf, dass wir gerade kurz vor Albuquerque sind und nicht dort, wo wir eigentlich entlang wollten. Naja, so bekommen wir wenigstens die Gelegenheit, in einem riesigen Supermarkt alle notwendigen Supplys, wie die US-Amerikaner:innen das nennen, aufzustocken. Vom Einkaufszentrum ist es nicht mehr weit bis zu unserem nächsten Übernachtungsstopp am Cochiti Lake, den wir spontan aussuchen. Hier kann man für schmales Geld übernachten und von dort aus haben wir es am nächsten Tag nicht mehr weit bis nach Santa Fe. Amina macht noch einen Rundgang am See, Junes und Henrik nutzen die warmen Duschen, um sich mal wieder ordentlich herzurichten. Interessanter Aspekt am Rande: Der Campingplatz liegt in der Native Reservation der Cochiti People und daher gilt striktes Alkoholverbot. Wobei wir das Bier im Kofferraum und im Kühlschrank dann doch nicht vor dem Eingangstor ausgeladen haben. Es kommt aber am Abend auch niemand mehr für eine Hausdurchsuchung vorbei.

Adobe Pueblos und Oktoberfest

Santa Fe ist uns ein wenig zu schick. Zumindest die Downtown mit den für die Gegend so typischen Pueblo-Gebäuden aus Adobe-Lehmziegeln. Die Innenstadt selbst ist sehr schön angelegt mit kleinen Hinterhöfen, versteckten Gärten und einer Plaza, die uns an die vielen Plazas de Armas in Peru erinnert. In den Gebäuden aber geht es nobel und teuer zu: Boutiquen, Schmuckläden, Shops mit Accessoires für Stadtcowboys und -cowgirls, Galerien, usw. Nicht ganz unser Ding. Wir machen trotzdem einen netten Rundgang, besuchen die Kathedrale Basilica of St. Francis of Assisi, die Loretto Kapelle mit ihrer mysteriösen Wendeltreppe und die Missionskirche San Miguel, die als die älteste Kirche der USA gilt. Im Anschluss schlendern wir durch den Railyard Arts District, der uns mit seinen vielen Graffitis und Wandmalereien an unseren Besuch in Barranco, Lima erinnert. Und direkt ums Eck finden wir Peruvian Connection, einen Shop mit peruanisch inspirierter Kleidung. Wie passend.

Edit: In Santa Fe gibt es i.Ü. so etwas wie ein klassisches Wochenende. Während wir bislang das Gefühl hatten, dass in den USA auch am Sonntag normaler Geschäftsbetrieb herrscht, wird hier am Samstag um 15 Uhr vieles geschlossen. Sogar Museen machen dann teilweise zu.

Nach einem leider schlechten Espresso im eigentlich so hübschen Café Iconik Coffee Roasters wird es Zeit fürs Abendessen. Wie gut, dass wir direkt auf der anderen Straßenseite die Gaststätte Cowgirl entdecken und dort gerade Oktoberfest ist. Endlich wieder Schnitzel und Schweinshaxe! Naja, nicht ganz. Aber Junes traut sich an die Lone Bratwurst, die in eine Tortilla gehüllt und mit Sauerkraut garniert serviert wird. Henrik testet die tatsächlich leckeren und süffigen Oktoberfestbiere der lokalen Brauereien: das SF Brewing Oktoberfest, dass „… begs you to don your Lederhosen and quaff!“ und das Le Cumbre Oktoberfest: „Gemutlichkeit, baby!“ 😊

Am nächsten Morgen dann begrüßt uns der eh schon wenig heimelige City-Campground in Santa Fe grau in grau und nass. Wir ziehen weiter. Aber das haben wir ja bereits erzählt.

Never been to Texas

Die Aussage im Song von Power of Dreams können wir für uns seit heute als überholt betrachten. Wir sind in Texas angekommen, der mittlerweile sechste Bundesstaat, den wir besuchen. Und um gleich wieder alle Klischeeregister zu ziehen, gehen wir in Amarillo Steak essen. Und zwar nicht irgendwo, sondern in der laut Wikipedia bedeutendsten Sehenswürdigkeit der Stadt, dem Big Texan. Nein, wir haben selbstverständlich nicht das 2 kg Steak bestellt und Eventgastronomie ist eigentlich auch nicht so unser Ding. Das Essen war aber wirklich lecker, vom zarten Fleisch über Mac’n’Cheese bis zum Kartoffelbrei!

Jetzt sitzen wir bereits im Dunkeln am Lake Meredith, der zweitwichtigsten Sehenswürdigkeit von Amarillo. Mal schauen, was das Erholungsgebiet alles zu bieten hat.

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