Camping gibt es in ganz unterschiedlichen Formen. Am einfachsten in der Art, mit Schlafsack und Isomatte eine Nacht unter freiem Himmel oder im Zelt zu verbringen. Wesentlich komfortabler geht Camping in fertig vorbereiteten Zeltunterkünften, Holzfässern oder kleinen Hütten, mittlerweile bekannt als Glamping. Auch bei den motorisierten Formen des Campings gibt es gewaltige Unterschiede: vom Dachzelt auf dem PKW, fahrenden oder feststehenden Wohnanhängern bis hin zu Campingbussen und Wohnmobilen unterschiedlichster Größe. Campen kann man in der freien Natur oder auf verschieden vorbereiteten Arealen wie Campingplätzen, Wohnmobilstellplätzen oder Wiesen und Äckern bei Festivals.

Wir sind mit unserem großen Wohnmobil mit Dusche, Toilette, großem Kochbereich, Heizung, Klimaanlage und riesigem Kühlschrank auf jeden Fall im luxuriösen Spektrum des Campings unterwegs (wobei nach oben noch viel Luft ist, wie ihr weiter unten noch sehen werdet). Aufgrund der Größe unseres Gefährts und unserer für den ersten Teil sehr vorgeplanten Reiseroute durch National- und Stateparks haben wir die meisten Nächte bislang auf staatlichen Campingplätzen verbracht und mal mehr, mal weniger Geld dafür gezahlt. Es gibt in den USA aber auch eine Form des Campings, die man am ehesten wohl mit dem Jedermannsrecht in einigen europäischen Ländern vergleichen kann. Ein paar Mal haben wir es in den vergangenen Wochen bereits versucht, aber noch nicht die richtigen Stellen gefunden. Gestern nun waren wir am richtigen Ort und hatten die notwendige Zeit und haben es ausprobiert. Wir sind immer noch ganz begeistert.

Boondocking bzw. Dispersed Camping

Die beiden Begriffe bezeichnen eine kostenlose Form des Campens auf öffentlichem Land, welches entweder vom Bureau of Land Management oder dem US Forest Service verwaltet wird. Jeder darf auf diesem Land mit einem Zelt oder Fahrzeug die Nacht verbringen, sofern er oder sie sich an einige Regeln hält: es sind bestimmte Abstände zu Straßen, bewirtschafteten Campingplätzen und Wasserquellen einzuhalten und das Camping erfolgt nach dem Prinzip „leave no trace“. Das bedeutet, Flora und Fauna nicht zu beeinträchtigen, seinen Müll wieder mitzunehmen und sich nach Möglichkeit an den Stellen zu bewegen, wo bereits vorher schon jemand gewesen ist. Grundsätzlich gilt es, sich vorab sehr gut zu informieren, denn nicht auf allen Flächen des BLM oder der National Forests ist Dispersed Camping erlaubt. Besonders an beliebten Reisezielen gibt es immer wieder Ausnahmen von der grundsätzlichen Regel. Informationen findet man wie alles heutzutage im Internet, oder man fragt die Ranger:innen im Visitor Center der jeweiligen Region.

Nicht unerwähnt lassen will ich den Hinweis, dass Dispersed Camping meistens auf Flächen stattfindet, die über nicht asphaltierte Straßen, also Forest oder Gravel Roads, zu erreichen sind. Meines Wissens haben alle großen Wohnmobilvermietungen in den USA und Kanada entsprechende Klauseln in ihren Mietverträgen, die ein Fahren auf diesen unbefestigten Straßen verbieten bzw. sämtliche Versicherungen in diesem Fall nicht mehr greifen. Mit einem gemieteten Wohnmobil fährt man dort also auf eigenes Risiko.

Unser erstes Boondocking-Abenteuer findet im Kaibab National Forest, auf dem Weg zum North Rim des Grand Canyon, statt. Im Visitor Center erhalten wir ein Infoblatt, auf dem man die Regeln nachlesen kann und eine Karte der Region mit allen Forest Roads und den dort befindlichen Stellplätzen abgedruckt ist. Von zwei netten Senior:innen, die im National Forest ehrenamtlich tätig sind, bekommen wir noch die besten Plätze an der Forest Road 611 genannt – und dann geht es los: Nach 20 Meilen auf der Hauptstraße biegen wir links ab und bewegen uns ab sofort nur noch mit maximal zehn Meilen pro Stunde auf der geschotterten Piste durch den Wald. Nach kurzer Zeit sehen wir links und rechts schon die ersten Stellplätze. Wir aber wollen ganz ans Ende der Straße, wo wir direkt an der Kante der östlichen Ausläufer des Grand Canyon stehen können. Nach ungefähr einer halben Stunden sehen wir rechterhand durch die Bäume die tieferliegende Landschaft des Canyon und entscheiden uns nach etwas hin und her für Platz 611p. Ein absoluter Traum! Wir haben eine große Fläche ganz für uns, die nächsten Nachbarn können wir weder hören noch sehen und von unserer Feuerstelle bietet sich ein Blick über weites Land und die tiefen Einschnitte des Colorado River. Es ist absolut still, nur selten kommen andere Menschen in Fahrzeugen auf der Suche nach einem Platz vorbei und wir genießen den Nachmittag und Abend in dieser wunderbaren Abgeschiedenheit. Das alles gibt es für lau und es ist sogar ausdrücklich gestattet, das Holz im Wald für das eigene Lagerfeuer zu verwenden. Herz, was willst du mehr! Es wird garantiert nicht unser letztes Mal gewesen sein!

Bigger is better

Wie bereits erwähnt sind wir mit einem 30ft-Wohnmobil für unsere Verhältnisse sehr luxuriös unterwegs und uns mangelt es an nichts. Es geht aber noch um einiges größer, wie uns jeden Tag aus Neue vor Augen geführt wird. Amerikaner:innen sind zwar manchmal auch mit Campingbussen oder Faltcaravans unterwegs. Doch wer kann zieht mit seinem Pickup-Truck lieber einen riesigen Fifth Wheel Trailer hinter sich her, in dem das Platzangebot bedeutend großzügiger ist. Oder ist mit einem A-Class-RV in Reisebusgröße unterwegs und hängt den Allrad-Jeep als Anhänger hinten an. Auf dessen Dach man dann noch das Gummiboot oder die Kayaks montieren kann. Tatsächlich sehen wir so etwas gar nicht so selten, dass hinter riesigen Wohmobilen Jeeps oder SUVs als Zweitwagen hinterhergezogen werden. Oder alternativ ein Anhänger für die Harley(s). Den Vogel schießen unserer Meinung nach diejenigen Familien ab, die gleich mit mehreren Truck-Trailer-Gespannen unterwegs sind: Mit dem ersten Pickup wird der hausgroße Wohnwagen, mit einem zweiten der Anhänger für die Off-Road-Buggys und Fahrräder gezogen. Kein Wunder, dass man bei amerikanischen Campingplätzen während der Buchung immer genau angeben muss, mit wievielen Fahrzeugen man vorhat, den Stellplatz zu belagern. Andererseits gibt es in diesem Land nahezu unbegrenzt Platz, die Straßen sind breit und für nicht wenige Menschen hier ist ein Trailer das feste Zuhause. Es hat also auch diese Geschichte, wie eigentlich immer und überall, zwei Seiten.

Die Sache mit den Generatoren

Für viele amerikanische Camper:innen gehört Strom einfach immer mit dazu. Auf vielen Stellplätzen gibt es den allerdings nicht. Also sind Stromgeneratoren für viele Wohnmobil- und Wohnwagen-Camper:innen Teil der Standardausrüstung. Und somit ist auch der Lärm, den diese Geräte machen, fester Bestandteil von Campingtagen.

Disclaimer: Auch wir haben hier immer einen Stromgenerator dabei, fest eingebaut in unserem Wohnmobil und betrieben mit dem normalen Benzintank. Und auch unser Generator war bereits in Betrieb: Einmal, um an unserem ersten Tag in Phoenix bei 44 Grad Celsius das Wohnmobil mit Hilfe der Klimaanlage wenigstens etwas herunterzukühlen, die anderen beiden Male für jeweils wenige Minuten, um mit der eingebauten Mikrowelle Mac’n’Cheese zu überbacken und Wraps aufzuwärmen. Das sind auch die beiden einzigen Geräte, die wir mit dem Generator betreiben können. Weitere 120/230-Volt-Geräte haben wir nicht mit im Gepäck. Alle Handys, Kopfhörer, Kameraakkus und den Laptop laden wir während der Fahrt über das 12-Volt-Bordnetz.

Auf den meisten Campingplätzen gibt es feste Zeiten für die Nutzung von Generatoren. Manchmal sind lediglich die Quit Hours zwischen 10 Uhr Abends und 6 Uhr Morgens ausgeschlossen, den Rest des Tages dürfen die Generatoren durchgehend laufen. Viel öfter gibt es zeitlich begrenzte Fenster für die Nutzung, meist zwei Stunden am Vormittag und zwei Stunden am späten Nachmittag oder Abend. Und leider gibt es auf jedem Campingplatz mindestens eine Person oder Gruppe, die diese Zeiten komplett ausnutzt. Was genau die Menschen in den zwei Stunden mit ihrem per Generator erzeugten Strom anstellen, können wir nur mutmaßen. Fernsehen ist eine naheliegende Option, Haare föhnen oder auch zwei Stunden lang die Wäsche bügeln. In jedem Fall ist die Dauernutzung dieser Lärmgeräte eine echte Zumutung, zumal auf einem engen Campingplatz ein laufender Generator ausreicht, um die Menschen von 50 bis 80 angrenzenden Stellplätzen zu terrorisieren. Und das oft noch nach Anbruch der Dunkelheit, wenn man am Lagerfeuer sitzen und den Klängen der Natur lauschen will. Wir sind jedenfalls immer wieder aufs Neue davon genervt, lassen unseren Generator genau deswegen weitestgehend unangetastet und freuen uns sehr, heute Nacht auf einem Platz zu stehen, auf dem Generatoren grundsätzlich verboten sind. Gleichzeitig sind sie hier auch nicht notwendig, da jeder Stellplatz einen eigenen Stromanschluss besitzt. Also können alle heute Abend stundenlang fernsehen, Haare föhnen und Wäsche bügeln.

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