„Aller guten Dinge sind drei.“ So hätten wir diesen Beitrag eigentlich übertiteln müssen. Denn nicht nur sind wir als Familie zu dritt. Seit Mitte vergangener Woche sind wir auch zum dritten und letzten Mal unterwegs. Nach über fünf Wochen Pause vom Reisen. Die wir intensiv genutzt haben, um uns zuhause um Familie, Freundschaften, Kaninchen, unsere Streuobstwiese und einen neuen Job für Henrik zu kümmern. Und um ein Wohnmobil zu kaufen, mit dem wir die vielen Kilometer hinauf zum Nordkap unter die Räder nehmen können. Nachdem wir das alles erfolgreich abgeschlossen haben, brechen wir in bester Party-Laune zuhause auf. Um gleich mal zu einer gigantischen 50er-Sause ins schöne Brandenburg zu tuckern. Was für ein grandioses Fest, was für eine schöne Zeit, was für tolle Begegnungen! Wer dabei war weiß, wovon wir sprechen. Für alle anderen gilt an dieser Stelle: Privates bleibt privat. Aber genau aus diesem Grund haben wir die Überschrift lieber dem großen Andy Warhol überlassen, als einer nicht ganz so griffigen deutschen Redewendung. Besser hätte der dritte Teil unserer Weltreisen nicht losgehen können.

Belegte Brötchen

Wismar ist für uns Brötchenstadt: zum Frühstück mit Mett, zum Mittag mit Fisch. Am Abend dann zur Abwechslung Nudeln, da sind wir aber auch schon im Ostseebad Rerik. Doch halt – so lapidar werden wir der alten Hansestadt im Mecklenburg-Vorpommern selbstverständlich nicht gerecht. Also in Ruhe und von vorne: vom brandenburgischen Glashütte aus, vorbei an BER, Tempelhofer Feld und dem Ausflugsrückreiseverkehr der Hauptstadt-Bewohner:innen landen wir am Sonntagabend vor dem Spaßbad Wonnemar in Wismar. Zum Schwimmen und Duschen kommen wir zu spät, stehen dafür kostenlos und – nachdem die im Parkhaus auf der obersten Ebene sich treffenden, quatschenden, kiffenden, hustenden und Pizza essenden Jugendlichen um 23 Uhr weiterziehen – in der Nacht wunderbar ruhig. Montag dann Stadtbummel. Vom historischen Markt über die Sargmacherstraße zur Marienkirche (bzw. dem, was nach der Beschädigung im zweiten Weltkrieg und der Sprengung der Ruinen 1960 davon noch übrig ist). Weiter zum prächtig restaurierten ehemaligen Archidiakonat, vorbei am Amtsgericht zur wiederaufgebauten Kirche St. Georgen. In der Nikolaikirche, Dritte im Bunde der monumentalen spätgotischen Gotteshäuser im Zentrum der Stadt, besuchen wir die Ausstellung des Anti-Kriegs-Museums Wismar über Desertation im Krieg, stöbern uns durch die Second-Hand-Bücherei in einer der Seitenkapellen und bekommen ordentlich Hunger: das gesamte Gebäude wird von leckeren Gerüche aus der gerade stattfindenden Vesperkirche durchzogen. Glücklicherweise ist der Hafen mit seinen beeindruckenden Speichergebäuden und den fangfrischen Fischbrötchen nicht weit. Und schon ist es da, dass wunderbare Ostsee-Feeling!

Keine Fotos

Gerade noch sind wir an berühmten Ostseebäder mit so wohlklingenden Namen wie Kühlungsborn und Heiligendam vorbeigerauscht, durch charmante Dörfer und vorbei an idyllischen Wiesen, Weiden und Feldern gefahren. Einen gefühlten Wimpernschlag später stehen wir inmitten einer endlos scheinenden Plattenbausiedlung an der Ampel: Rostock-Lichtenhagen. Der Ort, der im August 1992 traurige Berühmtheit erlangt hat. Der Ort, an dem ein wiedervereintes Deutschland massiver als je zuvor seine hässliche Fratze gezeigt hat. Sofort haben wir sie vor Augen: die Bilder aus den damaligen Nachrichtensendungen. Sofort können wir sie wieder spüren: die Fassungslosigkeit, die uns daraufhin ereilt hat. Langsam fahren wir durch die Siedlung, vorbei an den trostlos wirkenden Wohnbunkern. Fotos machen wir hier lieber nicht.

Ein Schwalbe macht noch keine Radtour

Jaja, ihr habt das schon richtig gelesen. So ganz ohne Schreibfehler. Den unabdingbar neben den qualitativ hochwertig hergestellten Fahrradreifen der bekannten Marke Schwalbe, sind für einen Ausflug mit dem Fahrrad die dazugehörigen Pedaleure. Spätestens bei ordentlich Gegenwind auf der Deichkrone. „Was für ein Kalauer“, denkt ihr jetzt vermutlich. Der hat sich allerdings wahrlich aufgedrängt, bei den pfeilschnell durch die Luft schießenden und Kunstflugmanöver ausführenden Schwalben, die wir am Vogelausguck Pramort und überhaupt in ganz Fischland-Darß-Zingst zu sehen bekommen. Was für eine Eleganz! Unsere Schwalbe-bereifte Radtour führt uns von Zingst aus vorbei am Barther Bodden, über die Sundische Wiese im Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft bis zum Ort der ehemaligen Ansiedlung Pramort. Nach und nach erobert sich die Natur hier, am nordöstlichen Ende Deutschlands, die weite Sumpf- und Heidelandschaft in ihrer ursprünglichen Form zurück. Nach Entwässerung, Landwirtschaft und – vor allem – fast einhundert Jahre dauernder und von 1895 bis 1991 immer neu aufflammender militärischer Nutzung. Davon zeugen nicht zuletzt die links und rechts des Fahrwegs und der Deichkrone aufgestellten Schilder, die auf die Kampfmittelbelastung des Geländes hinweisen. Wobei das mit „Lebensgefahr“ deutlich gemachte Betretungsverbot letzten Endes der Idee des Nationalparks zugute kommt: abseits der Wege kann sich die Natur tatsächlich völlig ungestört entwickeln. Ganz spannend eigentlich, finden wir zumindest und denken auf unserer Fahrt zum nächsten Übernachtungsort noch ein wenig darüber nach.

Dzień dobry Tinker Bell

Ein netter Flecken, dieser Jachthafen von Swinemünde, unserer ersten Station in Polen. Wir bleiben für eine Nacht, genießen den schönen Abend und bestaunen die Schiffe und Fähren, die vor uns auf der Swine vorbeiziehen. Etwas, das wir spätestens seit unserer Radtour am Nord-Ostseekanal immer wieder gerne machen. Denn jedes Schiff sorgt für ein bisschen Fernweh und die Vorstellung von neuen Abenteuern. Heute allerdings ist „Nur gucken, nicht drauffahren“ unser Motto, selbst als am Morgen die Tinker Bell direkt vor unserer Nase festmacht. Wobei die Lautsprecherdurchsage „Deck 8 räumen, Brand in der Sauna!“ nicht gerade die Lust steigert, heute noch unbedingt mit der TT-Line nach Trelleborg reisen zu wollen. Dann doch lieber mit der kostenlosen Kasiborer Fähre gen Osten, auch wenn die Wartezeit, um über die Swine überzusetzen, insgesamt eine Stunde dauert (der fast fertig gestellte und die Fahrzeit erheblich verkürzende Swinetunnel wird voraussichtlich erst im Juni in Betrieb gehen). Aber wir haben ja Zeit: nur knapp 100 Kilometer liegen heute vor uns, immer entlang der polnischen Ostseeküste mit ihren Seebädern und Stränden. Mittagspause machen wir im kleinen Städtchen Rewal, am Nachmittag dann parken wir unser Mobil im Hafen von Mrzeżyno, inklusive benachbartem Sandstrand soweit das Auge reicht. So kann das weitergehen, so langsam grooven wir uns ein.

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