Eigentlich wollen wir noch einmal die Hirsche in Nara besuchen. Im Nara-Park blühen seit ein paar Tagen tausende Kirschbäume, wie mittlerweile überall im südliche Teil von Honshū. Leider zieht eine üble Schlechtwetterfront über die Insel, und wir verwerfen alle Outdoor-Pläne für das Wochenende. Dauerregen ist vorhergesagt. Da trifft es sich, dass im komplett überdachten Osaka Dome für den Samstagnachmittag ein Vorbereitungsspiel der Nippon Professional Baseball Liga angesetzt ist. Klingt besser, als im Regen herumspazieren.

Schlechtwetterprogramm Teil 1

Also nichts wie hinein in die bei Weitem nicht ausverkaufte Hütte. Der amtierende Meister Orix Buffaloes spielt im eigenen Stadion ein Auswärtsspiel gegen eine der ältesten Mannschaften Japans, die Hanshin Tigers. Ein Lokalderby, beide Teams kommen aus dem Großraum Osaka. Eigentlich müsste das Spiel ja im Hanshin Koshien Ballpark stattfinden, vermutlich wurde aufgrund der Regenvorhersage die Spielstätte kurzfristig in den überdachten Dome verlegt. Kein großes Problem, als Pre Season Game ist das Spiel am Ende ein Muster ohne Wert, wie auch der hohe und sportlich verdiente Sieg der Hanshin Tigers mit 7:0. Nächste Woche dann startet die reguläre Saison, und wir sind beim Heimspiel der Fukuoka Hawks live mit dabei. Dann sicherlich vor ausverkauftem Haus und mit noch lauterer Anfeuerung der Fangruppen.

Schlechtwetterprogramm Teil 2

Sonntag und weiterhin Regenwetter. 🙁 Es ist nass und klamm. Daher wollen wir das CupNoodles Museum in Osaka besuchen und uns über die Geschichte der an jeder Ecke erhältlichen Instant-Nudeln und ihres Erfinders Momofuku Ando informieren. Allerdings sind wir nicht die Einzigen, die an einem regnerischen Sonntag auf diese Idee kommen. Beim langsamen Vorbeirollen sehen wir sie schon: eine Schlange von aufgespannten Regenschirmen, deren Besitzer:innen am Einlass anstehen. Parkplätze gibt es auch keine, das Museum liegt mitten in einem eng bebauten Wohnviertel. Irgendwie ist uns das alles viel zu stressig: Gedränge und viele Menschen, Anstehen im Regen und wieder eine komplizierte Parkplatzsuche mit dem Wohnmobil in der Großstadt. Kurzerhand blasen wir den Besuch ab und trollen uns von dannen. Schnell steht ein alternativer Plan fest, Plan C sozusagen: ausgiebiges Shopping in einer der riesigen Aeon Malls, die es in Japan überall gibt. Junes und Amina ziehen los und Henrik hat Zeit, den aktuellen Blogbeitrag zu verfassen. Eine Win-win-Situation für alle Beteiligten. 🙂

Am Grab von Kōbō Daishi

Oku-no-in ist unbestreitbar einer der heiligsten Orte in ganz Japan. Mythischer Tempel, riesiger Friedhof und letzte Ruhestätte des buddhistischen Mönchs Kūkai, Begründer des japanischen Shingon-Buddhismus und als Kōbō Daishi bis heute in der japanischen Bevölkerung hochverehrt. Ein magisch anmutender Ort, den wir bei nahezu perfekter Stimmung im feuchten Nebeldunst erleben. Über 200.000 Gräber, viele davon mehrere hundert Jahre alt, sind inmitten mächtiger und uralter Zedern in allen Ecken und Winkeln des Waldes versammelt. Moosbedeckte Grabsteine, Schreine, Pagoden und unzählige Statuen prägen die Szenerie, letztere geschmückt und drapiert mit roten und violetten Mützen, Umhängen und Lätzchen. Die Seelen vieler japanischer Persönlichkeiten und Berühmtheiten warten im Oku-no-in auf ihre Erlösung: Eroberer und Feldherren, geistliche Führer:innen und Würdenträger:innen, Mitglieder der kaiserlichen Familie und nicht zuletzt die Gründer:innen japanischer Familienunternehmen und heutiger Weltmarken wie z.B. Panasonic oder Nissan. Ehrfurchtsvoll wandern wir durch diesen Ort der Stille, Ruhe und Besinnung, lassen unsere Gedanken schweifen und sind wie bezaubert von der andächtigen Atmosphäre.

Knapp einen Kilometer gehen wir den Weg von der Hauptstraße durch die Reihen der Gräber und Gedenkstätten, dann erreichen wir das Zentrum des Oku-no-in: wer über die Brücke Gobyo-bashi hinübergeht, betritt den heiligsten Bereich und inneren Kern der Anlage. Fotos, Essen und Trinken sind ab hier strengstens verboten. Noch einige Meter geht der Weg, vorbei an den Grabstätten bedeutender Mönche, bis zum eigentlichen Tempel, der der Anbetung und Verehrung von Kōbō Daishi dient. Mönche sitzen im Schneidersitz vor kleinen Altaren und rezitieren endlose Mantras vor sich hin. Unzählige Räucherstäbchen glimmen, tausende Lampen brennen. Die Spiritualität des Ortes ist mit allen Sinnen spür-, greif- und erfahrbar. Noch ein Gang rund um das Tempelgebäude, dann stehen wir vor Kōbō Daishis Mausoleum. Genauer gesagt vor einem einfachen Holzschrein der mit unzähligen Blumengestecken und Sträußen geschmückt ist. Voller Ehrfurcht bleiben die Menschen stehen, werfen Münzen und verneigen sich vor einer der bedeutsamsten geistlichen Persönlichkeiten in der Geschichte Japans: Kōbō Daishi. Der hier, hinter dem Schrein, in ewiger Meditation verweilt. Auch wir sind fasziniert und ich muss gestehen, dass mich selten ein religiöser Ort derart gefangen genommen hat wie dieser schmale Weg vorbei am Mausoleum an der Rückseite des Tempels von Oku-no-in. Außergewöhnlich, emotional und tief bewegend.

Entlang der Tempel von Kōya-san

Der Tempel und die Nekropole von Oku-no-in sind nur ein Teil der heiligen Stätten hier in Kōya-san. Über 100 Tempel und religiöse Stätten gibt es hier, versammelt auf einer Hochebene, auch bekannt als der heilige Berg Japans. Kōya-san ist das Zentrum des japanischen Shingon-Buddhismus und Jahr für Jahr Ziel für Tausende Pilger:innen und Tourist:innen, die die unzähligen Tempelanlagen, Schreine, Pagoden und Hallen besuchen und besichtigen. Auch wir unternehmen einen Rundgang vom Haupttempel Kongōbu-ji zu den Gebäuden des Danjōgaran mit der großen Pagode Kompon Daitō. Wunderschöne Gebäude, prachtvoll gestaltete Innenräume, filigran und kunstvoll bemalte Seidenpapierwände, riesige Buddhastatuen und der größte Steingarten Japans, der Banryu-tei. Die Augen wissen gar nicht wohin, so dicht gedrängt und eng aufeinanderfolgend stehen die Gebäude. Überall finden sich sehenswerte Details und aufwendige Verzierungen. Am Ende ist es beinahe ein bisschen zu viel. Viele Tage müsste man hier verbringen, um alles in gebührender Tiefe in sich auf- und wahrnehmen zu können. Wir hingegen verabschieden uns am Nachmittag von Kōya-san, schließlich wollen wir morgen noch einmal die Hirsche in Nara besuchen. Wobei die Wettervorhersage …

2 Kommentare

  1. Na, da bin ich gespannt, wie ihr es mit der „Wettervorhersage“ gelöst habt.
    Hoffentlich bricht dort nie ein Feuer aus, so dicht steht alles aneinander. Aber, wenn man so viel Moos überall sieht, regnet es dort viel.
    LG, Jindra

  2. Das habe ich vermutlich mißverständlich formuliert. Nach Nara wollten wir am Samstag, das haben wir abgesagt und sind stattdessen zum Baseball. Ich schreibe den Blog der Einfachheit halber komplett im Präsens, daher rührt das Mißverständnis.

Schreibe einen Kommentar zu Jindriska Krichbaum Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert