Ach, wie herrlich war es auf der Kuhrischen Nehrung. Was für ein wunderbarer Montag: erst die rasante Überfahrt mit der Schnellfähre, wandern am Strand und in den Dünen, lecker Mittagessen in Juodkrante, Kaffee und Kuchen in Nida. Und am Abend, zurück auf dem Festland, ein weiteres Mal der herrliche Sonnenuntergang am Campingplatz in Dreverna. Ein perfekter Start in die Woche!
Tja, so oder so ähnlich hätte dieser Beitrag wohl begonnen. Wenn, ja wenn die Fähre von Dreverna nach Juodkrante dann mal so gefahren wäre, wie es auf dem ausgehängten Fahrplan angegeben ist: ab dem 2. Juni mindestens drei Abfahrten täglich, die erste um 10 Uhr am Morgen. Doch nur weil das da steht, muss man ja noch lange nicht danach handeln. Is klar, oder? 🙁 Am 5. Juni gibt es jedenfalls keine Abfahrt, wie uns der eher nicht so freundliche Mann am Ticketschalter kurz angebunden deutlich macht. Also stehen wir wie drei begossene Pudel am kleinen Hafen und benötigen dringend einen Plan B. Der sich aber zunächst hinten anstellen muss, schließlich ist unsere Wäsche noch nicht fertig. Also warten wir und sind genervt. Später dann in Klaipeda – der Vormittag ist bereits rum – wird uns immer deutlicher, dass alle anderen Optionen für den restlichen Tag auf der Kuhrischen Nehrung entweder sehr teuer oder mit viel Warten auf Busse verbunden sind, die auf der Halbinsel lediglich im Mehrstundentakt verkehren. Ok, dann halt nicht. Wir mussten auf unseren Reisen schon ganz andere Highlights unbesehen links oder rechts liegen lassen. Mit reichlich Restfrust fahren wir Richtung Norden zur Steilklippe Dutchman’s Cap, bekommen ein tolles Mittagessen serviert und genießen anschließend unsere kleine Wanderung am Strand und durch den Dünenwald. Das ist hier vermutlich viel schöner als auf dieser langweiligen Halbinsel. Absolut richtige Entscheidung! 🙂
Heiliger Ort des Wiederstands
Wann genau die Litauer:innen damit begonnen haben, auf dem kleinen Doppelhügel nördlich von Šauļi Kreuze zu Ehren von Verstorbenen aufzustellen, lässt sich nicht genau datieren. Klar ist hingegen, dass dieser Ort im Zuge der kommunistischen Besatzung ab dem Jahr 1944 nicht mehr nur als christlicher Wallfahrtsort, sondern zunehmend als politisches Symbol des Wiederstands gegen das in weiten Teilen der Bevölkerung verhasste Sowjetregime wahrgenommen wurde. Vier Zerstörungsaktionen setzte das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Litauens zwischen 1961 und 1975 um, jedes Mal antworteten die Menschen in Litauen trotzig und errichteten umgehend neue Kreuze. Unzählige sind es mittlerweile, der Gang vorbei an all den persönlichen Bekundungen macht sprachlos. Was für eine Symbolkraft! Gleichzeitig liegt eine andächtige Atmosphäre über diesem besonderen Ort, der ein Gefühl davon vermittelt, wie wirkmächtig und bedeutungsvoll der Glaube sein kann. Für den einzelnen Menschen genauso wie für eine Gemeinschaft. Ein Gefühl, dass wir zuletzt in Japan gespürt haben, an einem anderen heiligen und spirituellen Ort.
Stadt, Kanal, Fluß
Nach einer letzten litauischen Nacht inmitten von Gänsen, Schafen, Hunden, Katzen, Kaninchen und allerhand anderem Getier machen wir uns am Dienstag auf in Richtung Lettland, mittleres der drei baltischen Länder. Der Weg führt uns ohne Umwege direkt in die Hauptstadt Riga, nach Einwohner:innen die größte Stadt im Baltikum. Am Nachmittag bummeln wir gemütlich durch die Altstadt. Vorbei an Schloss, Stadtmauer und Dom, weiter zum Gebäudeensemble Drei Brüder bis zur Petrikirche, erbaut von einem Rostocker Baumeister und im Besitz der Deutschen Evangelisch-Lutherischen Kirche in Lettland. Mit dem Aufzug gehts für uns hinauf zur Aussichtsplattform, von wo aus wir einen schönen Rundum-Blick über ganz Riga genießen können. Zurück am Boden beschließen wir den kleinen Rundgang vor dem Schwarzhäupterhaus am Rathausplatz und machen uns im Anschluss umgehend auf zum Stadtkanal. Den wollen wir am frühen Abend mit einem der Kähne befahren, die dort mit Elektroantrieb auf und ab tuckern. Wir haben Glück und erwischen ein Boot mit einem sehr sympathischen und freundlichen Kapitän, der einiges über die Sehenswürdigkeiten und Gebäude rund um den Kanal zu berichten weiß. Ein spannender Einblick in die Stadt- und Landesgeschichte. Und es kommt noch besser, denn wir befahren nicht nur den Kanal, sondern steuern mit dem kleinen Boot hinaus auf die große Düna. Und sehen so die Stadt noch einmal aus einer ganz anderen Perspektive.
Zurück am Stellplatz im Rigaer Yachthafen verbringen wir einen lauschigen Abend mit großartiger Lichtstimmung über der Düna. Wie gut, dass wir uns für diesen Stellplatz direkt am Wasser entschieden haben. Die zauberhafte Dämmerung bleibt lange, richtig dunkel wird es erst weit nach 23 Uhr. Ein Vorgeschmack auf die kommenden weißen Nächte und die Mitternachtssonne, auf die wir langsam aber sicher zusteuern.
Nächster Tag, noch einmal Riga. Wir besuchen die Moskauer Vorstadt, ein ehemaliges Industrie- und Arbeiter:innenviertel, gleichzeitig Ort des Rigaer Ghettos zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs. Heute ist der vom Gebäude der Akademie der Wissenschaften dominierte Stadteil ein pulsierender Ort, an dem Flohmärkte, Kreativräume und der riesige Zentralmarkt einhellig nebeneinander existieren. Besonders die letztgenannte Institution hat es uns angetan: wir schlendern durch die Markhallen, vorbei an Fisch-, Fleisch- und Käseständen. Vor den Hallen stapeln sich Erdbeeren, Kirschen, Heidelbeeren, riesige Melonen, frische Kräuter, Tomaten und Gemüse in jeglichen Farben und Formen. Ein Fest für alle Sinne, die Menschen der lettischen Hauptstadt wissen offensichtlich ganz genau, wie man es sich gutgehen lässt. Und wir machen gerne mit und versorgen uns mit allerlei leckeren Produkten.
Am Nachmittag, auf dem Weg nach Sigulda, legen wir einen Zwischenstop im Lettischen Freilichtmuseum ein. Das Wetter ist herrlich und ein Verdauungsspaziergang durch das in einem idyllischen Wald gelegene Gelände drängt sich förmlich auf. Wir wandern durch die Anlage, die allerdings hinsichtlich der ausgestellten Gebäude und Dorfensembles nicht so gepflegt und informativ daherkommt wie ihr litauisches Pendant. Nett ist es trotzdem, unter den Bäumen entlang zu spazieren, im Fischerdorf entspannt zu schaukeln und ein wenig die Atmosphäre vergangener Zeiten wahrzunehmen. Am Ende versöhnt die prächtig ausgestaltete Kirche zumindest Amina mit dem musealen Teil des Besuchs, während die Männer der Familie offensichtlich ein bisschen zu früh in Richtung Wohnmobil abbiegen und diesen schönen Ort verpassen. Wobei im Verpassen und Weglassen haben wir ja mittlerweile eine gewisse Übung. 🙂
Elektroboote tuckern nicht! Oder doch?
Weiterhin schöne Reise!
Sie surren. Aber tuckern klingt viel romantischer
Es gibt kein richtiges Tuckern im Falschen :-p
Hach ja, der Kreuzberg hat uns damals auch beeindruckt.
Die Kurische Nehrung hatte eine ganz eigene Stimmung, aber am Ende ist’s doch auch nur ne Landzunge. Die hat mich nur schon als Kind auf der Tagesschau-Wetterkarte fasziniert, weshalb ich da unbedingt mal drauf wollte.
Und nun: Riga rockt! Fand ich die lebendigste Stadt im Baltikum, was ja was heißen muss!
Viel Spaß weiterhin!
Spätestens ab dem Darß ist ja die ganze Ostseeküste durchzogen von diesen schmalen Landzungen. Richtig spannende Landschaften mit so viel Wasser drum rum, das kennen wir als Süddeutsche gar nicht 🙂