Es ist ein Jammer, wie viele Ecken dieses Landes wir nicht sehen werden. Die Zeit ist dabei unser natürlicher Feind. Denn wir sind auf Weltreisen und haben nur ein Jahr Zeit, die vielen Länder und Gegenden auf unserer Liste zu bereisen. Auch hier in Utah und speziell an der Route 12 gibt es spektakuläre Landschaften, die wir unbesehen passieren. Die Orte, die wir besuchen, werden aus diesem Grund umso wertvoller für uns.
Eine neue Nummer 1?
Wenn ich unsere Gespräche über die bisher besuchten Nationalparks Revue passieren lasse, dann liefern sich Joshua Tree und Sequioa bislang ein enges Kopf-an-Kopf-Rennen um den ersten Platz. Doch seit dieser Woche haben die beiden echte Konkurrenz bekommen: Der Bryce Canyon Nationalpark haut uns um! Und dass, obwohl wir die lange Wanderung quer durch das große Amphitheater an einem bewölkten Tag unternehmen und die Farben des Bryce lange nicht so intensiv leuchten, wie wir das auf den Postkartenmotiven im General Store sehen können. Doch trotz des nicht so strahlenden Wetters sind wir baff und staunen über die Felsformationen und das Farbenspiel. Die sogenannten Hoodoos als skurril zu bezeichnen, ist noch reichlich untertrieben. Sie sind das Werk von Erosion und der Sprengkraft des Eises und nirgendwo gibt es so viele davon an einem Ort versammelt wie hier im Bryce Canyon. Der Weg quer durch das Felsenlabyrinth und später auf der Höhe am Trauf entlang wird zum Ausstellungsrundgang. Das entschädigt uns mehr als genug für die beiden bitterkalten Nächte, die wir in unserem Wohnmobil schlotternd verbringen. Kein Wunder, denn wir sind wieder auf einer Höhe von knapp 2400 Metern angekommen. Am Morgen müssen wir erst einmal kräftig einheizen, um die Kälte aus unseren Knochen zu bekommen. Dennoch schlauchen uns die (selbst auferlegten) krassen Temperaturschwankungen auf unserer Reise ganz schön.
Ein Stachel im Herz
Dieses Kapitel schreibe ich (Henrik) aus meiner ganz persönlichen Sicht. Denn das Grand Staircase-Escalante National Monument hat einen Stachel in mein Herz gesetzt. Es fällt mir schwer zu akzeptieren, dass ich diese wahrhaft monumentale Gegend lediglich auf der Hauptstraße durchfahren und eine Nacht dort verbringen konnte. Diese einzigartige und herausragende Region weckt in mir eine tiefe Sehnsucht und ich verlasse sie voller Wehmut. Vielleicht muss ich doch irgendwann ein weiteres Mal in die USA reisen.
Das Grand Staircase-Escalante National Monument ist mit über 7500 Quadratkilometern die größte zusammenhängende Wildnis der USA außerhalb von Alaska und erstreckt sich über eine Fläche zwischen Boulder und dem Bryce Canyon im Norden sowie Kanab und dem Lake Powell im Süden. Zum Vergleich: Das ist ungefähr halb so groß wie Schleswig-Holstein bzw. dreimal so groß wie das Saarland. Mit einem Wohnmobil innerhalb des Monuments zu reisen ist ausschließlich auf der Route 12 möglich, alle anderen wenigen Straßen sind Geröllpisten und wenn überhaupt nur mit geländegängigen Fahrzeugen zu befahren. Wer damit allerdings in die Tiefen des Monuments vordringt wird mit atemberaubenden Felslandschaften, einer wilden Flora und Fauna und absoluter Einsamkeit belohnt. So zumindest lese ich es, denn wie schon gesagt, können wir mit unserem Gefährt die unbefestigten Straßen nicht fahren. Lediglich von einigen Aussichtspunkten entlang der Route 12 erahnen wir die unglaublichen Dimensionen des Monuments. Und sehen doch nur einen Bruchteil davon.
Dann bietet sich uns doch noch eine Gelegenheit, einen tieferen Eindruck vom Grand Staircase zu erhalten. Die Burr Trail Road führt ab Boulder östlich bis zum Rand des Monuments in Richtung Capitol Reef Nationalpark. Die Straße ist auf den ersten 30 Meilen asphaltiert und auch mit dem Wohnmobil machbar. Nach einigen Meilen durch cremefarbenes Felsgestein führt die Straße immer tiefer hinab durch einen roten Canyon. Wieder einmal eine grandiose Szenerie. Aber anders als in den gut besuchten Nationalparks treffen wir auf der gesamten Strecke von mindestens 20 Meilen lediglich eine Handvoll anderer Fahrzeuge. Und es kommt noch besser: In den Grenzen des National Monuments ist Dispersed Camping erlaubt. Oberhalb des Canyons finden wir eine geeignete Fläche, um die Nacht zu verbringen. Irgendwann am Abend kommt das letzte Auto die Straße entlang und die wenigen wilden Camper:innen neben uns sind außer Hör- und Sichtweite. Wir sitzen am Lagerfeuer, der Mond strahlt über die Ebene und bald hören wir keine menschgemachten Geräusche mehr – außer unseren eigenen. Eine blaue Stunde wie aus einem kitschigen Bilderbuch. Kaum zu fassen, dass wir hier sein dürfen. Und mitten hinein spüre ich sie plötzlich: die Sehnsucht danach, diese einsame Ecke der Welt viel intensiver zu erleben und tiefer in mich aufzunehmen. Doch dafür ist jetzt nicht die Zeit und dieses Mal nicht die passende Gelegenheit.
Ein fruchtiges Tal
Denn wir sind wieder unterwegs und erreichen nach einem landschaftlich reizvollen Abschnitt auf der Route 12 durch den Dixie National Forest mit seinen gelb leuchtenden Birken unser nächstes Ziel: den Capitol Reef Nationalpark.
Dieser Park unterscheidet sich von den Nationalparks, die wir zuletzt besucht haben. Das merken wir schnell. Er ist kleiner und weniger touristisch ausgebaut. Es gibt keine Shuttlebusse und lediglich einen Campingplatz, der sehr überschaubar ist. Hotels, Lodges und Restaurants sucht man vergebens. Doch nicht nur in Sachen Infrastruktur ist dieser Nationalpark anders, auch optisch bekommen wir Neues zu sehen: Obstgärten ziehen sich das Flusstal entlang und ähnlich wie in einem Freilichtmuseum wird mit einigen erhaltenen Gebäuden und landwirtschaftlichen Gerätschaften die Geschichte der frühen Mormonen-Siedlung Fruita erzählt und aufbereitet. Die Talebene leuchtet in satten Grüntönen, auf den Wiesen sind weitläufige Picknick-Areale angelegt und darüber thronen die uns mittlerweile vertrauten Cliffs in ihren verschiedenen Farben. Gekrönt von blauem Himmel ein wirklich malerischer Flecken. Hirsche und Rehe streunen über die Flächen und lassen sich zwischen den Campsites zum Ausruhen nieder. Einen halben Nachmittag lang liegen drei davon in nächster Nähe zu uns und es stellt sich die Frage, wer hier wen beobachtet. Ein Landschaftsmaler aus der Zeit der Romantik sollte man sein. 😊
Selbstverständlich steht für uns im Capitol Reef wieder ausgiebiges Wandern auf der Tagesordnung. Am Mittwoch spazieren wir den Freemont River entlang bis zu einem Aussichtspunkt, von wo aus man das Tal wunderbar überblicken kann. Einen Tag später wandern wir eine Kombination verschiedener Trails. Was für eine abwechslungsreiche Strecke: Erst durch den creme-gelb-rot eingefärbten Cohab Canyon mit Slots und Hoodoos, dann durch das Gebiet Frying Pan, dass uns optisch sehr an das Grand Staircase-Escalante National Monument erinnert. Vorbei am riesigen Felsentor Cassidy Arch sehen wir auf dem Rückweg dann noch einige Musterexemplare der Chocolate Cliffs, die ihren Namen unserem plötzlichen Hunger nach zu urteilen völlig zurecht tragen. Glücklicherweise haben wir noch Schokoriegel im Gepäck. 😊
Die Feste feiern, wie sie fallen!
Heute ist ein Festtag: Junes hat Geburtstag und wird dreizehn Jahre alt! Happy Birthday! Wir feiern im Wohnmobil mit dem frischgebackenen Apple Pie aus dem Gifford House hier im Park. Und der Schulunterricht bei Mama und Papa fällt heute aus! Ein besonderer Geburtstag an einem besonderen Ort in einer für uns drei ganz besonderen Zeit.
Heute ist aber nicht nur Geburtstag, es ist auch Halbzeit unseres ersten Reiseabschnitts durch Amerika. Das ist ebenfalls ein kleines Fest für uns. Genau 71 Tage sind wir jetzt unterwegs, weitere 71 Tage folgen, bis wir am 17. Dezember in Belize ins Flugzeug steigen und für Weihnachten und den Jahreswechsel erst einmal wieder nach Hause kommen. Wir freuen uns darauf und auf alles, was im Anschluss noch vor uns liegt.
Nachträglich wünsche ich Junes alles Gute zum Geburtstag 🙂 und wünsche euch weiterhin eine wundervolle Zeit. Vielen Dank für eure Berichte! Glg safiye