In den ersten 70 Tagen unserer Reise haben wir manche tollen Menschen kennengelernt. Wir denken gerne zurück an Herbie in Costa Rica, an die vielen freundlichen Gastgeber:innen in Peru und an Elvis, unseren Stadtführer in Cusco. In den USA waren wir in unserem Wohnmobil bislang eher unter uns, mal abgesehen von dem hier typischen und immer freundlichen Smalltalk beim Einkaufen, Wäsche waschen oder anderen Gelegenheiten. Und selbstverständlich bleiben uns die netten Gespräche mit unseren britischen Campingplatz-Nachbarn im Yosemite Valley über Konzerte und Musik (Joy Division, Buzzcocks, The Cure), das Cannstatter Volksfest, die richtige Kindererziehung und das Leben an sich lebendig in Erinnerung.

We hope, you had a safe journey back home!

Seit unseren Tagen im Capitol Reef Nationalpark ist es auf einmal anders. Plötzlich kommen wir von einer netten Begegnung zur nächsten. Als ob ein Schalter umgelegt worden wäre. Es scheint, dass dies zur Halbzeit unserer Reise nun so sein soll.

Nachbarn und andere nette Menschen

Disclaimer: Wir sind nicht gerade die größten Helden darin, Menschen sofort nach ihren Namen zu fragen. Und manchmal können wir sie uns einfach nicht merken. Das ist keine böse Absicht und oft dem spontanen Moment geschuldet. Viel spannender finden wir sowieso die Geschichten, die uns die Menschen erzählen.

Disclaimer: We’re not exactly great at asking people their names right away. And sometimes we just can’t remember them. This is not malicious and is often due to the spontaneous moment. We find the stories that people tell us much more exciting anyway.

Als erstes treffen wir bei unserer Wanderung am Freemont River Kevin und seine Frau. Kevin ist Fotograf (ihm verdanken wir das nette Familienfoto aus dem letzten Beitrag) und schreibt und gestaltet Bücher über Bäume. Die beiden kommen aus Washington State und ihr Sohn hat während seines Studiums ein Praxissemester in der Nähe von Rostock absolviert („irgendwo in der Pampa, wo nichts geboten war“). Mit seinem Sohn war Kevin auch schon auf Reise durch Österreich und Bayern und erzählt uns grinsend, wie er mit seinen wenigen Brocken Deutsch in einem bayrischen Wirtshaus eine Bestellung aufgegeben hat. Die Antwort der Kellnerin hat ihn dann doch etwas perplex zurückgelassen: „We can do this in English!“ 😊

Am nächsten Morgen lernen wir beim Einkaufen einen hawaiianischen Geschichtslehrer kennen, der eigentlich in China lebt und das erste Mal seit Beginn der Pandemie wieder zurück in den USA ist. Schnell landen wir bei politischen Themen und den vergangenen Präsidentschaftswahlen: „The people in the East hate Trump. They’re more European than the people here in the West. You’ll see that. But the main problem is, that the people don’t talk to each other anymore.” Er bestätigt uns, was wir bereits aus der medialen Berichterstattung kennen. Als wir erzählen, dass wir mit dem Wohnmobil quer durchs Land nach Osten fahren werden, sagt er zum Abschied: „That’s good! So you will really get to know America. Much better, than to fly over.“ Mal schauen, ob das wirklich so kommt.

Nach einem sehr leckeren Mittagessen im Duke’s Slickrock Grill in Hanksville – Ryan, der uns dort mehr als zuvorkommend bedient und Junes Nachtisch einfach mal aufs Haus gehen lässt, hat vor vielen Jahren für einige Jahre in Frankfurt am Main bei der Army gedient – suchen wir uns einen Platz zum Boondocken für die Nacht. Panorama Hill klingt gut, dort fahren wir hin. Ein herausragender Platz mit 360-Grad-Blick über die weite Landschaft Utahs. Ein Wohnmobil sowie ein Trailer sind bereits auf der Schotterfläche geparkt, wir stellen uns mit möglichst viel Abstand an die Seite und machen erst einmal Siesta.

Dann kommt Kirsten mit ihrem Mann vorbei – unsere Nachbarn für eine Nacht – und die beiden stellen sich uns vor. Das scheint beim Boondocken gute Sitte zu sein, denn wenig später kommen von der anderen Seite Cat und ihr Mann mit ihrem riesigen, weißen, flauschigen, haarigen und sehr lieben Wachhund Kingdom zur Begrüßung vorbei. Auf gute Nachbarschaft! Kirsten und ihr Mann wohnen in Grand Junction, Colorado, sind aber als pensioniertes Paar so oft es geht mit dem Trailer draußen in der Natur. Kirsten kommt ursprünglich aus Dänemark und ist Sozialpädagogin wie wir. Ihre Nichte wohnt wie Aminas Schwester in Kiel – klein ist die Welt. Sie versorgt uns mit unglaublich vielen guten Tipps und Ideen für unsere weitere Reise und am nächsten Morgen mit einer Schüssel leckerer Honigmelone. Vielen Dank an dieser Stelle noch einmal!

Cat und ihr Mann leben dauerhaft in ihrem RV. Ein ausrangiertes Miet-Wohnmobil von Cruise America, dass die beiden aber ordentlich aufgemöbelt haben. Sie sind gleich begeistert: „You’re driving the same RV as we do“. Die beiden vertreiben selbstgerösteten Kaffee auf Dorf- und Bauernmärkten. Ihr Business-Motto prangt auf dem T-Shirt: „MCGA – Make Coffee Great Again!“ Wir verkneifen uns das Nachhaken, in welcher Beziehung dieser Spruch zur Politik und Person Donald Trump steht und fachsimpeln lieber über Kaffeebohnen, Röstereien und Espressomaschinen (erst vor wenigen Stunden haben wir gehört, wie wichtig es ist, dass die Menschen mehr miteinander reden). Die beiden bieten uns sogar etwas von ihrem Kaffee an. Das lehnen wir höflich ab, da wir weder Kaffeefilter noch andere Gerätschaften zum Aufbrühen mit an Bord haben.

Am nächsten Morgen werden wir winkend verabschiedet und nehmen uns fest vor, noch viel öfter als bislang die hoffentlich gute Nachbarschaft beim Campen zu suchen und zu pflegen.

Wir sind dann mal genervt

Ok, am Ende war es gar nicht so schlimm und wir hatten einen richtig schönen Tag im Arches Nationalpark, wo wir bei unserer knapp 13 Kilometer langen Wanderung durch Devils Garden und den Primitive Trail entlang den Massen mal wieder ein Schnippchen geschlagen haben. Der Weg ist herausfordernd, es gibt viel Kletterei zu bewältigen und auf dem unbefestigten und sandigen Trail trifft man lediglich eine überschaubare Anzahl Menschen, die sich das zutrauen. Beim morgendlichen Weg vom Campingplatz zum Trailhead und vor allem am dazugehörigen Parkplatz bekommen wir sie allerdings mit: die Massen an Menschen, die diesen Nationalpark täglich bestürmen. Und genau deswegen sind wir dann mal genervt, weil es eigentlich nicht (mehr) so sein müsste.

Der Arches NP leidet seit vielen Jahren unter massiver Überfüllung. Um mal den Visitor Guide zu zitieren: „… overcrowding at sites and along trails; competition for parking and other conflicts … These issues have negatively impacted the quality of people’s experiences and threaten natural and cultural resources.” Glücklicherweise hat der National Park Service (NPS) dieses Jahr reagiert und ein sogenanntes Timed Entry System für den Park installiert. Für jedes Fahrzeug, mit dem man in den Park fahren möchte, muss im Voraus ein Einfahrticket für ein bestimmtes Zeitfenster erworben werden. Diese sind entsprechend limitiert, womit sich der Strom an Besucher:innen sehr viel besser über den Tag verteilen und steuern lässt. Dieses neue System hat sich bereits nach kurzer Zeit bewährt und die „quality of people’s experiences“ erheblich gesteigert, wenn man den positiven Kommentaren von Besucher:innen bei Twitter Glauben schenkt. Nun sollte man meinen, dass in der heutigen Zeit ein neues Zugangssystem bereits während des laufenden Betriebs ausgewertet und – sofern die positiven Effekte überwiegen – umgehend fortgesetzt wird. Doch nicht so beim NPS, der sich in diesem Fall eher an deutscher Bürokratiegründlichkeit als an US-amerikanischer Kundenfreundlichkeit orientiert hat. Denn am 3. Oktober erfahren wir via Twitter und E-Mail: „Starting tomorrow, 10/4/22, you no longer need a Timed Entry Ticket to enter Arches. Expect long waits, crowded parking lots, trails and temporary entrance delays.” Weiter wird erklärt, dass das System von Anfang an nur für eine Pilotphase gestartet worden ist und jetzt erst einmal gründlich ausgewertet werden muss. Das macht man dann genau zu der Jahreszeit, in der die Temperaturen im Park endlich ein angenehmes Maß erreicht haben und umso mehr Menschen die berühmten Arches sehen und fotografieren wollen. Zu allem Übel treffen die jetzt erneut notwendigen „temporary entrance delays“ und „closures“ auch diejenigen Besucher:innnen, die bereits ein halbes Jahr im Voraus einen Platz auf dem Campingplatz Devils Garden im Park ergattert und umgehend bezahlt haben: „Visitors with campsite reservations are not exempt from this closure.” Die „quality of people’s experiences“ dieser Besucher:innen ist also scheinbar nicht ganz so relevant und dürfte erheblich leiden, wenn man, anstatt es sich auf dem Platz gemütlich machen zu können, im Stau vor den verschlossenen Toren des Nationalparks steht und stundenlang auf die Einfahrt warten muss: „This closure usually occurs between 9 am and 2 pm.” Wir haben bereits am Samstag freiwillig auf viele Stunden im Park verzichtet und sind aufgrund dieser Informationen erst am späten Nachmittag zum Eingang gefahren, als der große Ansturm des Tages vorüber war. Jetzt freuen wir uns schon wie Bolle auf die morgige Fahrt über die „whole park road“, wobei wir bei jedem Viewpoint mindestens zehn Minuten verbringen sollen, so die Empfehlung im Visitor Guide. Das geht aber nur dann, wenn wir an jeder der beliebten Stellen auch einen Parkplatz bekommen. Wir haben da so unsere Zweifel.

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