Seit unserer Abreise von Nordstrand hat uns das schlechte Wetter fest im Griff. Es regnet. Die ganze Zeit. Und wenn es gerade mal nicht regnet, dann schüttet es wie aus Eimern. Ganz selten ist es trocken und die Sonne kommt kurz zum Vorschein. Das ändert dann aber auch nichts mehr, denn insgesamt ist es viel zu unbeständig, um Aktivitäten im Freien zu unternehmen. Also machen wir mal wieder Schlechtwetterprogramm.

Heul doch!

Klingt ein bisschen hämisch, ist aber freundlich und fürsorglich gemeint. Denn wenn junge Seehunde oder Kegelrobben durch einen Sturm oder andere Einflüsse wie z.B. Bootslärm von ihrer Mutter getrennt werden, ist Heulen das Mittel der ersten Wahl. Nur so besteht für das Jungtier die Chance, von der Mutter durch die individuelle Tonalität des Geheules wiedergefunden zu werden. Manchmal jedoch bleibt dieser Versuch erfolg- und das Tier hilflos. Im besten Fall wird so ein verlassener Heuler dann rechtzeitig gefunden und in die Seehundstation Friedrichskoog gebracht. Dort widmet sich ein vielzähliges Team aus Festangestellten, Freiwilligen und Praktikant:innen der Aufzucht der Tiere, die im Anschluss idealerweise wieder ausgewildert werden. Eine herausfordernde, gleichzeitig wichtige und notwendige Aufgabe.

Es ist Sonntag, Ferienzeit und schlechtes Wetter. Logischerweise platzt die Station unter diesen Bedingungen aus allen Nähten, besonders zu den Fütterungszeiten. Es ist aber auch zu drollig, den jungen Heulern beim Futtern und gefüttert werden zuzuschauen. Manche aus der Rasselbande müssen von den Pfleger:innen regelrecht eingefangen werden, um im Anschluss einen Fisch in den Schlund gedrückt zu bekommen. Das sieht zwar ein bisschen rabiat aus, ist aber für das Überleben der Tiere essentiell. Wir jedenfalls haben unseren Spaß, machen noch einen kleinen Rundgang durch die Ausstellung und ziehen im Anschluss weiter. Vorbei an stillgelegten Kernkraftwerken und aktiven Windkraftanlagen. Im Angesicht der Energiewende. 🙂

Bad, Burg und Brautpaar in Bad Bederkesa

Da es weiterhin Bindfäden regnet, fahren wir nach Bad Bederkesa. Und dort gehen wir so richtig baden. Also nicht im sprichwörtlichen Sinne, sondern mit Eintritt und Umkleidekabinen und so. Die Moor-Therme ist der perfekte Ort bei diesem garstigen Wetter und dementsprechend gut besucht. Im Anschluss kehren wir beim ortsansässigen Griechen ein, bevor wir müde und sehr entspannt ins Bett fallen.

Am nächsten Morgen besuchen wir Burg Bederkesa bzw. das dort beheimatete archäologische und kulturhistorische Museum. Anhand der umfangreichen archäologischen Funde lernen wir einiges über frühzeitliche Begräbnisformen sowie die in dieser Region typische frühzeitliche Siedlungsform der Wurtendörfer. Und wir werden wieder einmal Zeugen einer Hochzeit. Dieses Mal zwar ohne Strech-Limousine und aufgedonnerte Braut, dafür mit einem schick hergerichteten weißen Strich-8er und freundlichen Hochzeitsgästen. Gefällt uns irgendwie viel besser.

Schiffe kieken

Bremerhaven kennen wir bereits ein bisschen. Vor zwei Jahren sind wir hier auf unserer Radtour entlang von Fulda, Weser und Elbe vorbeigekommen. Zufälligerweise genau an dem Tag, als die Schulschiff Deutschland nach jahrzehntelanger Abwesenheit zurück an den Ort gekehrt ist, an dem sie 1927 gebaut worden und vom Stapel gelaufen ist. So ein Spektakel wie im August 2021 mit Volksfeststimmung und allem was schwimmt auf dem Wasser gibt es heute leider nicht. Schiffe kieken können wir von unserem Stellplatz an der Doppelschleuse Fischereihafen aus trotzdem. Und von der Deichkrone haben wir einen schönen Blick hinüber zu den neu gestalteten Havenwelten und den Überseehäfen.

Am nächsten Tag teilen wir uns zunächst einmal auf: während Henrik und Junes das Wohnmobil für die Weiterreise am Nachmittag startklar machen, besucht Amina das Deutsche Auswandererhaus. Anhand vieler persönlicher Biografien und multimedialer Installationen erzählt das Museum die Geschichte der europäischen Auswanderung nach Übersee im 19. und 20. Jahrhundert genauso wie die von 330 Jahren Einwanderung nach Deutschland. Tagelang könnte man sich hier aufhalten, so beeindruckend ist die Fülle an Material und Informationen. Besucher:innen wird es dadurch ermöglicht, sich in das Wagnis hineinzuversetzen, die Heimat zu verlassen und in eine ungewisse Zukunft aufzubrechen. Kleiner Wermutstropfen am Rande: die teuren Eintrittspreise dürften vermutlich für eine Exklusion von Familien und Menschen mit geringem Einkommen sorgen. Gerade unter diesen gibt es jedoch viele, für die das Thema aufgrund der eigenen Biografie hochinteressant ist.

Wieder vereint unternehmen wir eine Rundfahrt mit dem Ausflugsboot durch die Hafenanlagen von Bremerhaven. Wir starten im Neuen Hafen, es geht vorbei an der Jacht-Marina und vielen historischen Schiffen, wie die bereits erwähnte Schulschiff Deutschland, der Dampf-Eisbrecher Wal oder die Astarte. Weiter geht es durch die drei Kaiserhafen und den Verbindungshafen mit den großen Dockanlagen der Lloyd-Werft. Viele Schiffsriesen gibt es zu bestaunen, manche davon der aktuellen Weltlage geschuldet (die Transgas Force, ein riesiges schwimmendes LNG-Terminal, sowie die MV Cape Ducato, die tonnenweise Ausrüstung und Gerätschaften des US-Militärs nach Europa gebracht hat). Wir alle wissen, aus welchem traurigen Anlass diese Dinge im Moment gerade passieren.

An der gegenüberliegende Columbuskaje liegt ein riesiges Kreuzfahrtschiff. Die Manara steht allerdings nicht zur Abfahrt mit tausenden Passagieren bereit, sondern soll in Bremerhaven umgebaut werden. Und das, obwohl das Schiff vor gerade einmal sechs Jahren erstmals in Betrieb gestellt wurde. Und lediglich von 2017 bis 2020 auf Kreuzfahrt war. Auch eine dieser wenig nachvollziehbaren Geschichten aus dem nicht immer sinnvollen Weltenlauf.

Die ebenfalls riesigen Autotransporter, die im großen Wendebecken festgemacht haben, kennen wir bereits von vor zwei Jahren. Sowohl die Grand Champion als auch die Apollon Highway lagen damals an exakt denselben Kaianlagen wie heute. Jedes dieser Schiffe fast mehrere tausend PKW, insgesamt fünf der wuchtigen Klötze sind aktuell in Bremerhaven festgemacht. Irgendwie irre! Trauriger Fakt am Rande: die seit dem 25. Juli täglich in den Medien präsente Fremantle Highway hatte Bremerhaven als Ausgangspunkt, bevor an Bord ein verheerender Großbrand ausgebrochen und dabei ein Besatzungsmitglied zu Tode gekommen ist. Schon wieder sind wir ganz nah an einer dieser prägenden Geschichten unserer Zeit.

Matsch und Modder

Letzter Akt, Haldern-Pop. Matschparty. 🙂 Und letzte Station, letzter Halt vor Nürtingen. Einmal melden wir uns noch. Versprochen!

Wie die, die viel zu lang weg waren. Die letzten Schritte und dann: Umarmen!

Ein Kommentar

  1. Hallo Dauerreisende!
    Spät, aber doch, ich habe endlich euren spanenden RB durchgelesen.
    Euch zu Hause willkommen heißen ist zu spät, der Alltag hat euch schon lange wieder.
    Ihr habt sehr viel erlebt und gesehen. Ich denke, dass ihr bedingt dieser Reise die Welt durch etwas andere Brille betrachten werdet.
    Da kann ich nur hinzufügen, Reisen bildet!
    Liebe Grüße, Jindra

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