Wir haben Schweden verlassen, Dänemark durchquert, die deutsche Grenze passiert und in Kiel Aminas Schwester besucht. Jetzt sind wir auf Nordstrand und genießen die herrliche Nordseeluft. Seit fast einer Woche bewegen wir uns an vertrauten Orten, die wir kennen und mit denen wir viele positive Erinnerungen verbinden. Das hatten wir in den vergangenen zwölf Monaten eher selten, während unserer Reisen durch für uns weitestgehend unbekannte Gefilde. Ein fast schon seltsames, gleichzeitig sehr angenehmes Gefühl. Zurück zu sein dort, wo man sich auskennt. Noch eine Woche, bevor wir endgültig wieder nach Hause kommen. Ein Jahr, nachdem wir am 29. Juli 2022 um 7.35 Uhr von Stuttgart in Richtung Costa Rica aufgebrochen sind. Schon krass!

Ein außergewöhnlicher Stellplatz

Wohnmobile sind mit Großstädten nur bedingt kompatibel. Zumindest dann, wenn es darum geht, eine längere Zeit dort zu verbringen. Das ist auch in den skandinavischen Ländern mit ihrem Jedemannsrecht nicht anders. Um tagweise oder über Nacht stadtnah und mit Anbindung an den ÖPNV stehen zu können, muss man in der Regel tief in die Tasche greifen. Sofern es überhaupt Möglichkeiten dafür gibt. Doch nicht so in Göteborg. Dort gibt es mit dem Aeroseum ein militärhistorisches Museum, auf dessen Gelände man mit einem Wohnmobil, Caravan, PKW und/oder Zelt für absolut faire Preise übernachten kann. Und vom nahe gelegenen Flughafen Göteborg/Säve kommt man mit dem Bus zügig in die Innenstadt. Wer also die Stadt so wie wir besichtigen möchte (siehe unser letzter Blogbeitrag), ist hier richtig aufgehoben. Zumal man mit der Übernachtung den Eintritt ins Museum gleich mit bezahlt hat, sein Fahrzeug inmitten des Außengeländes parken und die im Freien ausgestellten Fluggeräte und Fahrzeuge Tag und Nacht besichtigen kann. Um allerdings Zugang zu den unterirdischen Räumen der ehemaligen Militäranlage zu erhalten, müssen wir wie alle anderen Besucher:innen die regulären Öffnungszeiten abwarten.

Der riesige in den Fels gehauene Flugzeughangar ist schwer beeindruckend. Die tunnelförmigen Hallen mit ihren 22.000 Quadratmetern Fläche dienten zu Zeiten des Kalten Krieges als Basis und Schutz für die Luftstreitkräfte der Schwedischen Armee. Ganz anders und eher enttäuschend sind dagegen die ausgestellten Exponate, Informationen und der thematische Aufbau des Museums. Vieles ist in die Jahre gekommen, schlampig oder nur provisorisch hergerichtet. Die Ausstellung wirkt durcheinander, ein roter Faden für Besucher:innen ist nicht zu erkennen. Ein ziemlich wirres Sammelsurium von Kriegsgerät, zivilen Flugzeugen, Schautafeln, billig wirkenden Modellen, Spielgeräten für Kinder, usw. usw. Wir schauen uns trotzdem alles an, sitzen Probe in einer alten Beechcraft und machen uns dann auf den Weg nach Halmstadt, wo wir am Abend die Fähre nach Dänemark nehmen wollen. Abendbuffet inklusive!

Zur Feier des Tages

Stena Nautica, Wiedersehen macht Freude. Zumindest für Henrik, der mit genau diesem Schiff vor ungefähr 30 Jahren auf der Rückreise vom legendären Ferienhaus schon einmal gefahren ist. Damals allerdings ohne Wohnmobil, Abendbuffet und mitten in der Nacht. Heute hingegen kommen wir zwar spät, aber noch vor Mitternacht in Grenaa an, finden am Leuchtturm Fornæs einen schönen Platz für die Nacht und schlafen uns erst einmal aus. Nach einem leckeren Frühstück mit Zimt- und Puddingteilchen aus der sehr guten Havnebageren machen wir uns im Anschluss auf in Richtung Süden, über die Grenze zurück nach Deutschland und ab nach Kiel zu Aminas Schwester Lajali, zu Torsten und Nouri. Wir werden herzlich empfangen, haben uns viel zu erzählen und um Mitternacht erheben wir die Gläser, um standesgemäß auf Aminas Geburtstag anzustoßen.

Am nächsten Morgen machen wir mit dem Feiern direkt weiter und gönnen uns zum Frühstück gleich mal eine Runde Kuchen. 🙂 Im Anschluss fahren wir nach Rendsburg, es zieht uns wieder einmal zur Hochbrücke am Nord-Ostsee-Kanal mit der Schwebefähre und der Schiffsbegrüßungsanlage. Dieser reichlich skurrile Ort gefällt uns vermutlich gerade wegen seiner Besonderheit. Zum einen die riesige Eisenbahnhochbrücke, ein Technikdenkmal und Meisterleistung der Ingenieursbaukunst. Darunter hängt an die einzigartige Schwebefähre, mit der an dieser Stelle der Kanal überquert werden kann. Ein besonderes Gefühl, an Stahlseilen hängend über dem Wasser entlangzuschweben. Dritte im Bunde ist die Schiffsbegrüßungsanlage am Restaurant Brückenterassen. Vorbeifahrende Schiffe werden vorgestellt (Name, Größe, Tiefgang, Abfahrts- und Zielhafen) und im Anschluss mit der jeweiligen Nationalhymne und Flaggendippen begrüßt. Ein wunderbar aus der Zeit gefallenes Spektakel, dem man auch von zuhause aus live im Internet beiwohnen kann.

Der Rest unserer Zeit in Kiel ist dann vollends schnell erzählt: Entspannen, Ausruhen, Spaghetti Bolognese, Quatschen und ein bisschen Shopping. Außer für Henrik, denn den treibt eine eitrige Zahnwurzelentzündung gleich zweimal zum Zahnarzt. Wo ihm von Dr. Piepereit und seinem Team unkompliziert und typisch norddeutsch freundlich geholfen wird. Danke dafür!

Ein Vinylnerd im siebten Himmel

Ach, wie toll ist das denn? Klönschnack mit einem der rührigen und ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen über die unbedingte Notwendigkeit, selbst fabrikneue Schallplatten auf einer Schallplattenwaschmaschine zu reinigen (aufgrund der teils miserablen Qualität und mangelnden Sorgfalt in modernen Presswerken), über die unbestreitbaren Vorzüge gefütterter Schallplatten-Innenhüllen, über das leider teure Bügeln welliger Vinyls und das exklusive Lathe-Cut-Verfahren. Henrik ist im siebten Himmel, aber das war bereits im Vorfeld klar. Kann ja auch nicht anders sein, wenn so ein Vinylnerd mit zuhause nahezu 1.000 Schallplatten und fünf Plattenspielern das Deutsche Schallplattenmuseum in Nortorft besucht und dort auf Gleichgesinnte trifft. 🙂

Auf dem Gelände des ehemaligen Teldec-Schallplattenpresswerks gibt’s Hi-Fi-Geschichte zum Staunen (und leider aber verständlicherweise nicht zum Anfassen 🙁 ): Die riesigen Schallplattenarchive der NDR-Funkhäuser Kiel und Hamburg, alte Phonographen, Plattenspieler aus allen Zeiten, Jukeboxen und Hörtheken, die Geschichte vom Tonband zum Digital Audio Tape und als Highlight die Maschinen aus dem alten Presswerk. Grandios, dass wir diesen Ort gefunden haben. Grandios, dass wir das Glück haben, das Museum in den erst im Oktober 2022 eröffneten neuen Räumlichkeiten erfahren zu können. Grandios, dass sich der Förderverein Museum Nortorft e.V. seit über 30 Jahren der Geschichte der Tonträgerentwicklung annimmt, diese bewahrt und für die Öffentlichkeit aufbereitet. Unbedingt unterstützenswert!

Wir sind wieder hier

Etwas mehr als zwei Jahre ist es her, da wurde der Kreis Nordfriesland vom Land Schleswig-Holstein als Tourismus-Modellregion ausgewählt. An die Nordsee wollten wir immer schon mal, und dem Pandemiealltag entfliehen zu können, klang mehr als verlockend. Also schnell drei Schnelltests gemacht, Tickets für den Nachtzug gebucht, ins Ferienhaus eingecheckt und schon saßen wir auf unseren Leihfahrrädern, nur um auf dem Rückweg nach unserem ersten Einkauf im Supermarkt von einem orkanartigen Sturm und sintflutartigen Regenfällen herausgefordert zu werden. Schietwetter eben. In der Folge erlebten wir eine absolut tiefenentspannte Woche zwischen Süderhafen und Norderhafen, zwischen Oben und England, zwischen Schafen und Salzwiesen, zwischen Krabbenbrötchen und Watt’n-Grill-Burger. Genau deswegen sind wir heute wieder hier, weil uns dieses Nordstrand damals so unglaublich gut gefallen und gut getan hat. Und es ist immer noch alles genau so, wie vor zwei Jahren. Haben wir auch nicht anders erwartet, schlendern auf dem Deich entlang, beißen in Fischfrikadellen und Krabbenbrötchen, ploppen dazu ein Flens und fühlen uns, als wären wir nie weg gewesen. Gutes Gefühl!

3 Kommentare

  1. Euch eine letzte, beglückende, arztfreie, erholsame Woche.
    Vielen Dank für eure spannenden Reiseberichte mit all den fotografisch und schriftlich festgehaltenen Eindrücken! Nicht alle habe ich lesen können, aber sie bleiben abrufbar und lassen mich bestimmt ab und an, wenigstens virtuell, auf Reisen gehen.
    Habt’s gut auf euren letzten Wegen in die süddeutsche Heimat. Ich freue mich sehr auf das Wiedersehen!
    Es grüßt Michaela

  2. Nach einem Jahr wöchentlicher spannender Berichte wird mir das lieb gewonnene Ritual sehr fehlen.
    Um so mehr freue ich mich, Euch wieder in erreichbarer Nähe zu wissen – und auf ein Wiedersehen.
    Genießt die letzten Tage und nehmt ein Jahr voller wunderschöner, aufregender, spannender, bereichernden und überraschender Erlebnisse mit in Euern Alltag.
    Seid herzlich gegrüßt von Antje

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