… my only friend, the end.

Nein, keine Sorge. Unsere Nerven sind nicht am Ende und wir immer noch in Japan. Seit gestern allerdings wieder ohne eigenen fahrbahren Untersatz. Unser kleines Wohnmobil haben wir wohlbehalten in Fukuoka zurückgegeben. Wieder ist ein Abschnitt unserer Reisen zu Ende gegangen. Wir sind ein kleines bisschen wehmütig und gleichzeitig total gespannt, was noch alles kommt. Zumindest für unsere letzten Tage in Japan und somit unsere letzten Reisetage außerhalb Europas ist das bereits klar: Tokio, Hauptstadt, Mega-City und zusammen mit Yokahama der größte Ballungsraum der Welt. Doch bevor wir davon berichten, geht es erst einmal ein paar Tage zurück an einen Ort, der im Gegensatz zu Tokio so gut wie gar keine Besiedelung aufweist.

Rabbit Island Ōkunoshima

Vor ungefähr drei Wochen waren wir bei den Katzen von Aoshima. Doch für uns als Kaninchenbesitzer:innen geht selbstverständlich nichts über einen Besuch auf der Kanincheninsel Ōkunoshima. Hunderte der hoppelnden Tiere leben hier entspannt (mangels natürlicher Feinde) und zufrieden (dank fütternder Tourist:innen wie uns). Ein eigenes Auto auf die Insel zu bringen ist eigentlich nicht möglich, so die Aussage am Ticketschalter. Doch mit einigem Ach und Krach und etwas Diskussion schaffen wir es am Nachmittag auf die Fähre und auf der Insel zum kleinen Campingplatz. Wie schön, wir können also die Nacht auf Ōkunoshima verbringen. Das ist fast wie ein Sechser im Lotto, denn als die Tagesbesucher:innen mit der letzten Fähre die Insel verlassen, haben wir die zutraulichen Tiere und die sehr besondere Atmosphäre fast ganz für uns alleine (zusammen mit einigen wenigen anderen Gästen auf dem Campingplatz und dem einzigen Hotel auf der Insel). In Sachen Kaninchenfutter sind wir selbstverständlich Profis, daher werden wir egal wo wir hinkommen freudig begrüßt und bewegen uns permanent in der angenehmen Gesellschaft der Stehohren. Und einen berauschenden Sonnenuntergang über der Seto-Inlandsee gibt es gratis obendrauf. Hach, ein Träumchen.

Die Geschichte von Ōkunoshima ist allerdings nicht ausschließlich niedlich und flauschig, wie man angesichts der tierischen Bevölkerung annehmen könnte. Bereits zu Beginn des letzten Jahrhunderts wurde die Insel im Kontext des Russisch-Japanischen Kriegs mit Militäranlagen versehen. Wesentlich folgenreicher für unzählige Menschen war allerdings die Entscheidung der japanischen Regierung, ab Ende der 1920er Jahren in geheimen Anlagen Senfgas für die chemische Kriegsführung zu produzieren und zu lagern. Ein kleines Museum informiert über diese traurige Zeit und erinnert gleichermaßen an die Opfer japanischer Senfgasangriffe im zweiten Weltkrieg und die an den Spätfolgen aufgrund unzureichender Schutzvorkehrungen bei der Produktion erkrankten und gestorbenen japanischen Arbeiter:innen und Militärangehörigen. Bei unseren Spaziergängen über die Insel sehen wir viele Überreste der ehemaligen Anlagen, die nach dem Ende des zweiten Weltkriegs und der Kapitulation Japans mit dem Einsatz von Flammenwerfern aufwendig dekontaminiert werden mussten. Ein bemerkenswerter und krasser Kontrast zur wunderschönen Natur und den überall friedlich mümmelnden Kaninchen .

Eine letzte Fahrt

Wieder zurück auf Honshū beginnt für uns die letzte Fahrt im Wohnmobil. Eigentlich wollen wir nach Hiroshima, in die Stadt, die aufgrund des erstmaligen Einsatzes einer atomaren Waffe traurige Berühmtheit erlangt hat. Doch daraus wird erst einmal nichts. So sehr wir im Vorfeld auf den einschlägigen Internetseiten recherchieren und am immer später werdenden Abend direkt vor Ort rund um die Millionenstadt suchen, wir finden keinen geeigneten, geöffneten und für einen Besuch der Stadt am nächsten Tag gut gelegenen Stellplatz. Am Ende landen wir viel zu viele Kilometer südlich an einem Michi no eki in Kaminoseki. Die Nacht dort ist ruhig, den Besuch in Hiroshima jedoch verschieben wir erst einmal, cruisen am folgenden Tag stattdessen ein bisschen über Nagashima Island und genießen die Ruhe und die sensationelle Aussicht vom kleinen Observatorium. Eine weitere Nacht auf einem schön gelegenen Campingplatz am Rande der Stadt Kitakyūshū, dann hat uns Fukuoka wieder und wir sind ganz aufgeregt, am Hafen die Fähre der Camellia Line liegen zu sehen, die uns vor Wochen nach Japan gebracht hat. Wieder einmal schließt sich ein Kreis.

Doch bevor wir zu unserem temporären Zuhause endgültig Tschüss sagen müssen, verbringen wir darin zwei letzte Nächte am Parkplatz der Marina von Fukuoka. Aufräumen, Rucksäcke packen und ausfegen steht an. Außerdem – wie bereits berichtet – ein Besuch bei den Fukuoka Hawks. Noch einmal Baseball, dieses Mal aber ein richtiges Ligaspiel vor ausverkauftem Haus bzw. Dome. Seven nothing (7:0) heißt es am Ende, die Hawks dominieren das Spiel gegen die Chiba Mariners nach Belieben, sehr zur Freude des begeisterungsfähigen Publikums. Am Ende gibt es für die Hawks eine standesgemäße Siegesfeier mit Lightshow und Feuerwerk im überdachten PayPay Dome und für uns einen letzten großartigen Sonnenuntergang am Horizont hinter den Segelmasten in der Marina. Dann hat die Eisenbahn uns wieder, und statt wieder nur zu schauen sitzen wir am späten Montagvormittag dieses Mal tatsächlich in einem Shinkansen und machen uns mit dem japanischen Vorzeigezug auf den Weg nach Hiroshima.

Für den Frieden

Wir haben diese Überschrift schon einmal verwendet, als wir zu Beginn unserer Japan-Rundreise die von einer Atombombe zerstörte Stadt Nagasaki besucht haben. Die Stadt, die auf den dringenden Wunsch ihrer Bewohner:innen die für immer letzte Stadt bleiben soll, die ein derartiges Schicksal ereilt. Jetzt, am Ende unserer Tage in Japan, besuchen wir Hiroshima. Die Stadt, die am 6. August 1945 um 8.15 Uhr zum Ziel des ersten kriegerischen Atombombeneinsatzes der Menschheitsgeschichte wurde. Ausgeführt von Soldaten der US-amerikanischen Luftwaffe aus einem Flugzeug heraus, vor dem wir noch im Herbst des letzten Jahres im Smithsonian Museum in Washington gestanden sind. Ungefähr 80.000 Menschen wurden unmittelbar zum Zeitpunkt der Detonation getötet, weitere 60.000 starben im weiteren Verlauf des Jahres 1945 an den Folgen der Explosion. Genaue und endgültige Opferzahlen sind allerdings bis heute nicht bekannt, da neben unzähligen Menschenleben auch sämtliche offiziellen Dokumente der Stadt vernichtet worden sind.

Wir besuchen den Friedenspark mit seinen unzähligen Monumenten und Erinnerungsstätten. Es ist viel los, Reisegruppen aus allen Ländern sind hier und besichtigen die Atombombenkuppel, die Überreste des ehemaligen Gebäudes der Industrie- und Handelskammer. Durch das Museum geht es einmal mehr im Gänsemarsch, vorbei an den Schau- und Infotafeln mit den traurigen Geschichten der Menschen und Familien aus Hiroshima. Und auch wenn uns der Trubel fast wieder ein wenig zu viel ist: es ist gut, dass die Menschen hierher kommen und sich mit dem Grauen und dem Schrecken auseinandersetzen. In der Hoffnung, dass die Botschaft des für alle zwingend notwendigen Friedens verfängt und jeder und jede diese mit sich und hinaus in die Welt trägt.

Fuji-san again

Auf dem Weg nach Tokio werfen wir immer wieder einen Blick aus dem Zugfenster. Und plötzlich, doch nicht unerwartet, erhebt sich der majestätische Fuji noch einmal vor uns. Heute bei strahlend blauem und nahezu wolkenlosem Himmel. Mit knapp 300 km/h rauschen wir an ihm vorbei und können doch lange genug schauen, staunen und durch die Scheiben unscharfe Fotos schießen. Ein Abschied auf Zeit, denn hoffentlich sehen wir den Vulkan von Tokio aus ein letztes Mal.

3 Kommentare

  1. Hallo ihr Weltenbummler!
    Wollt ihr schon wieder nach Hause?
    Das wäre schade, es sind wunderbare Berichte, welche wir hier präsentiert bekommen:)!
    Viel Spaß in Tokyo und schöne Ostertage, wenn auch on Japan Ostern nicht im Vordergrund steht. Dafür haben sie z. Z. viele Feiertage verbunden mit anderen Feierlichkeiten.
    Jindra

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